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Aufzeichnungen von Matthias Zipfel

Hinweis

Bei dem hier veröffentlichen Text handelt es sich um die Aufzeichnungen von Matthias Zipfel (1882-1955), von ihm selbst handschriftlich verfaßt in den Jahren 1946-1953. Der Inhalt gibt nicht die Meinung der Redaktion wieder. Es handelt sich um ein historisches Dokument, das im Kontext der damaligen Ereignisse und der damit verbundenen Emotionen zu sehen ist.

 


 

"Mit Gott"

Glücklich ist, wer vergißt
was nicht zu ändern ist!

Matthias   Z I P F E L
1882 - 1955

Originalhandschrift von Matthias Zipfels Aufzeichnungen

Nachdem mir meine zwei Haus- und Dorf-Chroniken durch die tschechische Austreibung verloren gegangen, will ich einiges aus dem Gedächtnis über Prittlach, meinem und meiner Familie Geburtsort, schreiben.

Dieses Prittlach liegt im Südmähren, Kreis Nikolsburg, in Niederdonau, früher Bezirk Auspitz, in der Czechoslowakei, dem alten Österreich-Ungarn.

Prittlach liegt am Südhang des 300 m hohen Berges "Prittling", grenzt im Norden an Saitz, im Westen liegt Neumühl und die Pollauer Berge und im Süden die Thaya mit den Ortschaften Pulgram, Neudeck und Eisgrub. All diese Ortschaften waren rein deutsch. Im Osten grenzte es an Rakwitz, welches tschechisch war. Das Gebiet sieht auf der Mappe gezeichnet, einer Flasche ähnlich: längs der Thaya der Wald als Boden, dann Wiesen und Hutweide, anschließend die Felder - wie Rakwitzquanten und Neumühlquanten - inmitten das schöne Dorf mit 224 Häusern, schön in Gassen geteilt: die Herrengasse, die Quergasse, die Dreifaltigkeitsgasse, die Johannesgasse und der Zipf, alle reihenweise nummeriert. Der "Flaschenhals" das wären die Zwerg- und Schinderäcker.

Prittlach hatte schon im Jahre 1218 einen großen Turm und eine Kirche, welche nach "de Elvert" gebaut und vom Zisterzienser-Orden, Kloster-Welehrad, gestiftet worden sein soll. Dieser Orden kam von Kloster Neuburg bei Wien, und brachte schon früh den Weinbau nach Prittlach. So war in der Chronik zu lesen, daß schon um das Jahr 1334 der König im Kloster zu Brünn in Prittlach 1 Viertel Weingarten besaß mit dem Namen Mitterberg, und "F. de Waise" aus Eisgrub 1 Viertel Weingarten mit Namen Neuberg ums Jahr 1330. Es muß viel und guter Wein gewachsen sein, wie all die Aufzeichnungen berichteten.

Auch gab es fischreiche Gewässer. Das Fischessen wurde zum Gebot gemacht. Daneben gab es Viehzucht und Feldbau. Von jeher schon eine reiche Gegend!

Um den Wein- und Feldbau, den Wiesen und Weiden, der Viehzucht, sowie um die Bewohner und das Dorf war ein jahrzehnte langer Streit, zwischen dem Königskloster Brünn und dem Fürsten Liechtenstein.

Die Bewohner Prittlachs hatten deutsche Namen (Verzeichnis aus dem 14. Jahrhundert). Von den jetzigen Namen reicht der Name Grimmel zurück bis zum Dreißigjährigen Krieg. Mein Name, also der Name Zipfel, ist um 1700 in der Matrik zu finden: Anton Zipfel, Lorenz Zipfel, Matthias Johann Zipfel, Josef Zipfel. Ein Franz Zipfel war Kabinettschef bei Fürsten-Liechtenstein (1880).

Unser Stammhaus war das Haus Nr. 37 in Prittlach, mein Geburtshaus aber das Haus Nr. 30, aus welchem schon mein Urgroßvater Matthias Zipfel war. Auch mein Großvater Johann Zipfel wurde im Jahre 1815 daselbst geboren, mein Vater Josef Zipfel 1843 auch in diesem Haus Nr. 30 und ich ebenfalls am 15.9.1882.

Wir waren 8 Geschwister:

Johann geb. 1868 Oberfaktor in der Öst.-Ung. Nationalbank, kinderlos gest. 1931
Maria geb. 1869 verehelichte Lantsch gest. 1905
Katharina geb. 1872 verehelichte Pulawski gest. 1935
Josef geb. 1873 Regierungsrat im Allgemeinen Krankenhaus Wien gest. 1934
Agnes geb. 1875 verehelichte Körner gest. 1936
Franz geb. 1878 gest. 1896
Matthias geb. 1880 gest. 1882
und ich ebenfalls mit Namen Matthias geb. 1882

Quergasse Dreifaltigkeitsgasse
Herrengasse Schule

Bei der Landwirtschaft blieb nur ich allein. Alle meine Geschwister, soweit sie groß wurden, waren in Wien, und auch dort zuständig, bzw. gemeldet.

1903 wurde ich zum Militär assentiert und 1906 als Zugsführer, Infantrie-Regiment 99 in Znaim wieder entlassen.

Ich blieb wieder bei der Landwirtschaft und heiratete am 15.11.1910 Gisela Oßwald aus dem Haus Nr. 22 in Prittlach. Es waren die Eltern Johann Oßwald (gest. 1916) und Theresia, geb. Hlinetzky. Kinder waren ihrer 4 und zwar:

Ernst geb. 1877
Franz geb. 1882
Gisela geb. 8. April 1887
Ernestine geb. 1895; verehelichte Büchler

Unser Anfang in der Ehe war sehr schwer. Doch mit beidseitigem Fleiß, Sparsamkeit und Ausdauer ging es gut vorwärts.

1912, am 21.12. ist meine Mutter gestorben. Mein Vater war schon tot seit 28.5.1905.

Im Jahre 1914 brach der erste Weltkrieg aus, ich mußte nach Wien zur Landwehr Infantrie-Regiment Nr. 1 einrücken. Im Juni 1915 war ich am russischen Kriegsschauplatz. Ende Jänner 1916 kam ich von dort zurück und wurde dann im Sommer desselben Jahres vom Militärdienst enthoben und ich blieb zu Hause bis zum Zusammenbruch 1918. Die alte Monarchie löste sich auf, Böhmen, Mähren, Schlesien und ein Teil Oberungarn als Czechoslowakische Republik erklärt und war somit auch selbständig geworden.

Wir waren nun von Österreich, wo alle meine Geschwister zuständig waren, getrennt; nur mit Pass und Schwierigkeiten kamen wir auf Besuch zusammen.

Nachzutragen habe ich noch die Geburt meiner Kinder. Und zwar wurden geboren:

Josef geb. 1911, gest. nach 2 Tagen
Josef geb. 13.1.1913
Katharina geb. 27.7.1915, verehelichte Beichl
Maria Theresia geb. 22.8.1918, verehelichte Schneider
hinten v. l. nach r. Kathi, Josef, Marie
vorne: Gisela und Matthias Zipfel (im Hinterhof)

Bei meiner Vermählung bekam ich das Haus Nr. 30 in Prittlach - PN=135 - mit Garten und anschließendem Hof PN=82-, die Rakwitzquanter PN=945, Ausmaß 51 a, 62 qm und den Mitterberg PN=1183, Ausmaß 21 a 11 qm. Meine Frau bekam Mitterberg PN=1238 Ausmaß 15 a 90 qm, den Mitterberg PN=1239 Ausmaß 15 a 90 qm und die Bratten, das ist Unterniederberg, Saitz, PN=4o99, Ausmaß 38 a 48 qm.

Im Jahr 1914 kauften wir von meiner bereits verstorbenen Schwester Maria Lantsch das Grundstück Linstall in Saitz PN=3835, Ausmaß 12 a 41 qm um den Betrag von 2oo kc. Im Jahr 1916 kauften wir von Elisabeth Stanzl, geb. Grimmel, die Bruckwiese, genannt Zwergquanten PN=2o9 und 2o9/2 mit dem Ausmaß 56 a 65 qm um den Betrag von 1.410 kc. Nach dem Tod meiner Mutter 1912 bekam ich das Presshaus samt Keller (E.Z.1197) unter dem Wohnhaus 115 in Prittlach mitsamt der Kellereinrichtung.

Meine Frau bekam nach dem Tod ihres Vaters 1916 den Mitterberg PN=1236 Ausmaß 17 a 55 qm und den Neuberg, welcher dann meiner Tochter Katharina Beichl bei ihrer Heirat übergeben wurde. Im Jahre 1929 haben wir von Karl Hlinetzky das Langviertel gekauft PN=1408 und 1409 um den Preis von 12.110 kc. Das Ausmaß war 17 a 05 qm und 19 a 67 qm, zusammen 36 a 72 qm. Die Grundstücke waren neben den von Fibich Andreas und Onkel Ernst beim Weg in Vierviertel. Von Fibich Marie (des Andres seinem Weib) haben wir das Veigelbergackerl um 3.000 kc gekauft, mit dem Ausmaß 16 a 90 qm, PN=1793 in Prittlach.

Muß noch nachtragen das Langviertel vom Hlinetzky Karl im Ausmaß von 36 a 72 qm um den Betrag von 12.110 kc. tschechische Währung. Von Schwager Ernst Oßwald haben wir die Grundstücke Bergacker PN=2049 Ausmaß 47 a 66 qm und Bruckwiese Dreiquanten PN=277, Ausmaß 60 a 06 qm um den Betrag von 16.000 kc im Jahr 1937 gekauft. Von Andreas Groß kauften wir das Grundstück Rakwitzquanten PN um 21.000 kc, Ausmaß 66 a (neben Hlinetzky Franz; wurde Tochter Kathi bei ihrer Heirat mit Josef Beichl 1936 übergeben). Von meiner Schwester Agnes kauften wir das Grundstück Unterrosenberg um 5.000 kc; auch dieses Grundstück wurde meiner Tochter Kathi bei Heirat mit Beichl übergeben. Von meinem Bruder Johann Zipfel, Wien, erbte ich die Pointen - Weingarten samt Garten PN=877, Ausmaß 24 a 28 qm und PN=876, Ausmaß 1 a 58qm.

Meine Frau erbte noch von ihrer Mutter die Grundstücke Bauernwiese PN=671 und 672, Ausmaß 54 a 82 qm und den Rosenbergacker PN=1956, Ausmaß 37 a 23 qm und den Bannwasseracker PN=493, Ausmaß 36 a 61 qm. Von Margarete Semmler kauften wir im Jahr 1934 das Grundstück Bratten/Unterniederberg in Saitz PN=4121 mit dem Ausmaß 40 a 25 qm um den Preis von 6.000 kc. Von meiner Schwester Kathi hat mein Sohn Josef, das Grundstück Niederberg PN=1141 in Prittlach von seinem Geld gekauft. Das Grundstück Wolfswiese PN=746 in Prittlach hat Josef von seinem Onkel Josef Zipfel, Wien, geschenkt bekommen.

Um der Feldarbeit besser nachzukommen, kauften wir uns im Jahre 1931 ein Paar Pferde, Rappen, in Auerschitz um 6.000 kc und die Kummat dazu um 600 kc. Bis dahin hatten wir nur Rinderbespannung. Dazu kauften wir weiters noch einen, Grasmäher Firma M. Cormitz, Nr.442?77 um 5oo RM und zu diesem Grasmäher einen Heurechen um 1oo RM. Auch eine neue Sämaschine kauften wir: Original Melichar Nr. 21 41 74 um 6oo RM. Ein neuer Kartoffelroder um 300 RM wurde gekauft, ein zweischariger Pflug von Lang um 1oo RM, ein einschariger Pflug von R. Sack um 3oo RM, 1 Paar Eggen, 3 Wägen, 1 Motor, 1 Futterdämpfer, 2 Rübenschneider usw. Fürs Presshaus kauften wir eine neue Weinpresse von Langraun um 2.500 kc und 2 neue Bottiche um 400 kc. Für den Keller wurden nach und nach 12 neue Fässer je 800-1.000 Liter gekauft zu 400-500 kc, die letzten 2 Fässer 1.100 RM in Neudorf. Für die Kammer einen neuen Schüttkasten. Die Weingärten (160 a = 8 Metzen) wurden mit Neukultur, gut selektionierte Sorten ausgesetzt und waren in den besten Ertragsjahren, sodaß fast jedes Jahr mit vielem und gutem Wein zu rechnen war. Auch der Keller wurde um 4 m verlängert. Am Haus wurde ein neuer Pferdestall und eine neue Sommerküche angebaut und für eine neue Scheuer Ziegel und Holz auf Vorrat geführt; kurz, es wurde überall geschaffen.

Und ich dachte, meine Lebensaufgabe erfüllt zu haben, die ich mir selbst gesetzt hatte mit dem ernsten Vorsatz: den Namen und die Ehre des Hauses Zipfel in Prittlach hoch zu halten - wobei mich meine Frau und meine Kinder tatkräftig unterstützten - als dieser unglücklichste aller Kriege, der zweite Weltkrieg, ausbrach, den ich im vorhinein wie mit einem Ahnen schon so verdammte und der mich und meine Familie ganz schuldlos von Haus und Grund vertrieb, entrechtete wie einen Verbrecher, verfolgt, und auf die alten Tage als verbrauchten Menschen ohne die geringste Habe auf die Straße gejagt!

Und so wie mir, so ist es Millionen meiner deutschen Volksgenossen ergangen, und nicht diese Millionen waren Schuld am Krieg, sondern an diesen Millionen ist gesündigt worden!

Es muß jeder seinem Staate geben und muß leisten, was dessen Gesetze bestimmen, wenn nicht, so wird er bestraft, je nach der Art sogar mit dem Tod. Wie ich im alten Österreich als Soldat gedient, so mußte mein Sohn in der tschechischen Republik als Soldat dienen. Er wurde im Jahr 1934 assentiert, kam im Jahr 1935 zurück, machte seine Waffenübungen und mußte im Jahr 1938 anläßlich der Mobilisierung wieder in die obgenannte Republik in die Slowakei einrücken, kam nach Haus und mußte am 15.September 1939 nach Mistelbach zur Mobilisierung der deutschen Armee einrücken. Im Jahr 1944 in Frankreich wurde er gefangen und kam nach Schottland in englische Gefangenschaft, wo er bis heute, Jänner 1947, noch immer ist. Sein junges Leben mußte er fürs Militär opfern - es war ein Muß und nicht in seinem Interesse.

Der erste Mobilisierungstag war der 1.Sept.1939. Erst am 15. September, meinem Geburtstag, mußte Pepi fort. Dann kam's Schlag auf Schlag.

Schon unter den Tschechen mußten wir ein Pferd abgeben. Es war die Emma. Sie wurde aber nach der Vormobilisierung von Pepi wiedergefunden und zurückgebracht. Jetzt mußte wieder diese Emma einrücken als erstes Pferd - und auf Nimmerwiedersehn. 8 Tage zuvor verkaufte ich die Zuchtstute Zita an Hlinetzky Emil um 900 Mark; sodaß jetzt nur noch ein Fohlen, der Fritz, im Stall war. Ich kaufte daher in Göding einen 3 jährigen Fuchs, Waloche genannt, um 2.100 Mark. Ein gutes frommes Zugtier. Später, nach einer Pferdemusterung in Eisgrub, wo dieser Fuchs als zu jung frei ging, wurde er mir von unserem damaligen Bürgermeister Franz Hlinetzky gegen meinen Willen abgenommen, um 1.900 Mark. Mit diesem Fuchs hat er nach dem Zusammenbruch das Weite gesucht. Zum Glück war noch ein Fohlen, die Ella, da. Somit waren jetzt also nur Fritz und Ella zum Zug da.

Angebaut mußte werden was vorgeschrieben wurde: Raps, Gemüse, Kartoffeln, Rüben usw. Die Lieferungen wurden vorgeschrieben. Ebenso auch der Verbrauch an Lebensmittel, Mehl, Wein usw. Nichtbesitzer hatten Lebensmittelkarten. Es waren für den Arbeiter gute Zeiten, besonders wenn er kinderreich war. Der Kauf und Verkauf von Grundstücken war nun verboten. Die Anschaffung von Maschinen und Wagen war an behördliche Bewilligung gebunden, sodaß man nur auf Schleichwegen oder durch Schleichhandel zu landwirtschaftlichen Geräten kam. Getauscht oder gehandelt wurde mit Wein, Fett, Mehl und dergleichen. Auch die Arbeiter wurden meist mit Frucht und Wein bezahlt. Je Tag: 3 Liter Wein und Essen für die Zeit von 7:00 bis 6:00 Uhr abends. Und nur im Sommer holten wir Arbeiter.

Immer noch ging es gut vorwärts, weil ich viel und guten Wein baute und die Wirtschaft nicht nur schuldenfrei war, sondernauch noch Bargeld in der Kasse war, so in, Nikolsburg und in der Prittlacher Raiffeisenkasse. Sonst konnte man mit Geld nichts anfangen. Es gab keinen Grundverkauf mehr. Alles an Grund und Boden sollte auf Erblöse zusammengelegt werden. Für Prittlach waren schon ungefähr 20 Erbhöfe bestimmt. Brauchbare Burschen wurden vom Bürgermeister als Wehrbauern für den Osten vorgeschlagen, der Rest sollte bei der Landwirtschaft arbeiten. Soviel ich erfahren habe war dieses Erbhofgesetz nirgends beliebt, die meisten Bauern waren Gegner. Eine breite Schicht des Landvolkes ist die Grundlage der Nation. Dies wäre hier nicht der Fall gewesen. Denn wenn jemand nicht durch Besitz an Grund und Boden Anteil und Interesse hat, so geht er davon - in die Stadt, in die Fabrik und wird so das Produkt seiner Verhältnisse in der er lebt. Dies und noch viele andere Mängel und Fehler waren im Erbhofgesetz.

Doch das war nicht die Ursache, des Zusammenbruchs, auch nicht der Kampf gegen das Judentum, nicht der Kampf um Religion. Religion und Staat sind ja wie zwei Eheleute verbunden, es braucht eins das andere, ohne einander gehen beide zugrunde. Es wäre noch zu früh und auch hier nicht am Platz, darüber zu schreiben. Es sei nur kurz erwähnt: die Tschechen wußten schon 1944 ihren Plan; sogar die tschechischen Dienstboten äußerten sich gut informiert darüber. Der Krieg wurde auch nicht Militär gegen Militär, sondern hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung geführt. Das beweist auch die Vernichtung der offenen Städte durch Bomben.

Am 15. April 1945 kamen die ersten Russen in unser Dorf. Wohl wurde mancher Koffer mit Kleidern und Nahrungsmitteln vorher vergraben! Viele Dorfbewohner hatten sich in den Weinbergen - in den Stetten, in den Linstall, in den Eichbergen - Erdlöcher, also Stollen, gegraben um den Russen beim Durchmarsch auszuweichen. Dies war Unsinn, es wurde nichts gebraucht. Besser haben die getan, die sich ihre notwendigsten Sachen auf Bretterwagen mit Wagenplane vorgepackt hatten und beizeiten mit Roß und Wagen das Weite gesucht haben. Als erste fuhren die Frau Bürgermeister und Frau Zellenleiterin mit ihren Wagen in Richtung Znaim bis Zuckerhandl davon. In der Nacht fuhren ihre Männer, der Herr, Bürgermeister, und sein Bruder, der Herr Zellenleiter E. Hlinetzky, Haus Nr. 17, je Auto nach - ohne die Gemeinde zu verständigen!

Wir, die anderen, hausten einstweilen Tag und Nacht in den Weinkellern, schliefen mit Bettzeug in den Kellern, um bei einem Feuergefecht geschützt zu sein. Mit einem Kampf wurde gerechnet; und so hatte man schon Wochen zuvor auf Drängen der Ortsansäßigen um unser Dorf große tiefe Gräben geschaufelt. Beim Ortsausgang stand ein Blockhaus, in welchem seit dem Umsturz Finanzbeamte hausten - diese waren kurz vorher verschwunden. Auch die Volkswehr, die vorher immer ihre Schießübungen hatte, trat nicht in Tätigkeit. Am 14.April um 5.00 Uhr nachmittags hieß es; das ganze Dorf muß bis früh geräumt sein! Es kam aber nicht dazu. Wieder verbrachten wir die ganze Nacht in den Kellern. Der letzte Knecht den ich noch hatte, der Jaros Nejedlik aus Rakwitz, war auch bei uns im Keller. In der Früh hieß es, am Ortseingang sei eine weiße Fahne, so ging der Knecht nach Hause Pferde füttern, obwohl ich noch 2 Pferde besaß und den Wagen bereits gepackt hatte - bin ich nicht fortgefahren. Ich wollte mein Haus, meinen Grund und Boden nicht herrenlos dem Feind überlassen, aus Angst, dann nicht mehr zurück zu dürfen. Es war also noch alles in Takt. Es waren von mir auch noch alle Felder bebaut mit Gerste, Hafer, Kartoffeln und dergleichen. Der Knecht fütterte also an diesem Tag früh die Pferde, ging dann mit dem Knecht von Ludwig nach Rakwitz - den Russen entgegen. Auf dem Weg nach Rakwitz fanden sie ein Geschoß welches sie vom Erdboden aufklaubten. Dabei explodierte das Geschoß und zerriß beide Knechte in Stücke. Vom Jaros wurden noch nach 8 Tagen Stücke seines Körpers gefunden. Der andere Knecht war verkohlt. Ich erfuhr von dem Unglück erst am Nachmittag.

Noch am Vormittag desselben Tages, also am 15.04.45, kamen 3 russische Reiter zum Keller gesprengt und fragten nach deutschen Soldaten. Es waren aber keine mehr im Dorf. Von der Straße Pulgram - Millowitz wurde in unsere Richtung geschossen. Die Frau vom Eisenbahner Fibich Andreas wurde schwer verletzt. Auch bei Neu Emil und anderen Häuser waren Einschläge. Auf den Bannwasserackerln waren Bombentrichter, aber diese waren schon von früheren Geschossen. Ansonsten war kein Schaden durch Feuergefecht. An demselben Tag, den 15.04.45, wurde mir mein bestes Pferd, der Fritz, 5 jährig, von den Russen ohne mein Wissen aus dem Stall genommen, ohne Entschädigung. Vermutlich haben die tschechischen Knechte dies verraten, denn diese hielten sofort mit den Russen gute Kameradschaft. So habe ich gleich am ersten Tag den Knecht und mein bestes Pferd verloren. Wer weiß, was der gute brave Knecht im Sinn gehabt hätte.

Wir blieben noch weiter in Keller, weil sich die meisten Kellernachbarn auch noch dort aufhielten um beisammen zu sein. Nachmittags kamen noch einige Russen in die Keller und durchsuchten alles. Meistens gingen sie aber des Nachts in die Häuser. Wo geschlossen war, brachen sie die Türen ein, zerschlugen die Fenster. Angeblich suchten sie nach deutschen Soldaten und nahmen dabei jeden Schmuck, alles Gold und Silber und Uhren mit. Auf die Uhren gingen sie hauptsächlich los! Jedes Frauenzimmer von 12 Jahren bis 70 Jahren das sie trafen, wurde vergewaltigt und ihrer Ringe und Ohrgehängen beraubt. Auf die Mädchen wurde nachts Jagd gemacht - über Heuboden, Gärten und Felder - wo sie auch waren, nirgends waren sie sicher. Meistens schliefen die Mädchen auf den Böden der Preßhäuser, aber auch dort wurden sie aufgestöbert und vergewaltigt. Es gab daher viele geschlechtskranke und auch schwangere Mädchen und Frauen. Vor den Augen der Männer und Burschen wurden diese Schandtaten vollbracht.

Die Keller wurden aufgebrochen und der Wein aller gestohlen. Gefüllt wurden die Gefäße ohne Gießer, sodaß mehr Wein verschüttet als getrunken wurde. Bei uns im Keller watete man bis zu den. Knöcheln im Wein. Ungefähr 100 hl Wein war gelagert - in 2-3 Tagen war der Keller leer! Dabei halfen den Russen die tschechischen Knechte und die Rakwitzer fleißig mit, oft auch in russischer Uniform verkleidet. Verwüstet und gestohlen wurde alles. Eier und Speck mußten stets den Russen zum Essen gegeben werden. Alles Geflügel, Hühner und Gänse, wurden verzehrt. Fische mußten gefangen und zubereitet werden. Den ganzen Tag über war eine Schießerei aus Maschinenpistolen um die Leute in Angst zu halten. Es waren sehr viel Russen mit malayischem Blut bei uns: schwarzgelbe Hautfarbe, geschlitzte Augen und hervorstehende Backenknochen, ohne besondere Gestalt.

Der Blahofsky J., 73 Jahre alt, wurde von den Russen erschossen, weil er sie bei einem Einbruch bei seiner Nachbarin, der Kotzendorferin, ermahnen wollte. Die alte Rebafka Wittwe (Josef Rebafka) wurde auch von ihnen erschossen, weil sie ihre Ukrainerin vor Vergewaltigung schützen wollte. Mein Geschwisterkind der Ludwig Josef (Haus Nr.63), wurde von den Russen erschlagen und dann aufgehängt. Die Schmiede von Langer und das Nachbarhaus wurde von den Russen in Brand gesteckt weil man am Heuboden oben Mädchen vermutete. Niemand durfte das Feuer löschen. Auch das Haus 17, Eigentum des Zellenleiters der NSDAP, wurde in Brand gesteckt, doch brannte nur die innere Ausstattung, sowie Fenster und Türen aus. Durch das feuerfeste Kreuzgewölbe blieb das Dachwerk verschont. Pferde und Rinder wurden weggeführt sofern solche noch vorhanden waren. Die Schweine wurden erschossen, in Stroh abgebrannt und verarbeitet oder abgeführt. Es half kein Bitten und Flehen, alles wurde verwüstet mit dem Hinweis, daß die Deutschen in der Ukraine es noch schlechter gemacht haben.

Meine Tochter und auch meine Schwiegertochter lagen nachts im Schüttkasten in der Kammer versteckt, während ein Rudel Russen vor der Küchentüre schlief. Heu und Stroh und Frucht wurde alles weggeführt und jeden Tag wurde einigemal Haus und Garten durchsucht und mit Eisenstäben und Säbel durchstochen, ob nicht etwas versteckt sei. Einmal mittags kamen zwei vollbesetzte Autos angefahren; es wurde nach Essen und Trinken verlangt. Die letzten Eier und der letzte Speck mußte her. Nachdem kein Wein mehr da war, wurde ich eingefangen und drangsaliert: wo ich den Wein versteckt hätte. Das ganze Haus wurde durchsucht, die letzte Flasche gefunden. Es war die Flasche vom Kirchtag vor 40 Jahren, als ich Altbursch war. Ich wurde gestoßen, überall dorthin, wo man glaubte Wein zu finden, bis zur Senkgrube hin, wo sie den Deckel hoben und sich des Inhalts überzeugten. In der Küche wurde auf mich geschossen. Die Kugel ging am Kopf vorüber in die Traversen. Sie schrien mich an, ich hätte Haus Nr. 30, da müsse Wein sein. Ich wurde ins Auto gepresst um mit ihnen im Keller Nachschau zu halten. Unterdessen wurde in einem anderen Haus Wein gefunden.

Bei mir im Haus waren im Hof über eine Woche lang 4 Autos. Die Mannschaft hatte in den, Zimmern alles dicht besetzt. Alles wurde zerfetzt was noch heilig war. Das Eingekochte wurde zerschlagen. Denn die Russen trauten nicht früher, bevor nicht jemand einheimisches gegessen oder getrunken hatte; sie fürchteten die Vergiftung. Die Russen sind als Feinde gekommen und haben sich als solche auch benommen, angeeifert von den Tschechen. Die Tschechen, unsere Freunde von gestern, wurden zu Teufeln in Menschengestalt.

Als erste gingen die ungefähr 20 tschechischen Pferdeknechte zu den Russen als Verräter, dann kamen die Mitglieder der Narodni-Vybor = tschechischer Nationsausschuß, mit roten Armbinden. Es waren meist junge Burschen ohne Existenz und ohne Intelligenz, aufgeputscht in fanatischem Haß gegen alles Deutsche. Diese beiden Sorten Menschen wurden die Herren im Dorfe, besetzten das Haus 59 und übten von da aus unter Protektion der zurückgebliebenen Russen, bewaffnet mit Gewehren, ihre Gewalt aus. Von den Ortsansässigen leisteten ihnen einige Kommunisten Henkersdienste. So der Fibich Pepi, Groß Franz 159, Wessely 139, Fibich Johann, ferner der Riedl Nachbar 31 und der frühere Bürgermeister Fibich Adolf 41. Wie's da zuging, spottet jeder Beschreibung!

Bei mir wurde noch immer Wein gesucht. Meine Nachbarin von den Pointen, hatte Wein vergraben in den Pointen. Ich sagte ihr: "Du Bittnerin, das hast Du schlecht gemacht, man sieht, Du hast dort Wein vergraben. Laß die frische Erde verschwinden damit man nicht's sieht." Das hat sie getan und noch mehr! Sie sagte, ich hätte in den Pointen Wein vergraben. Darauf mußte ich ein schweres Verhör über mich ergehen lassen. Und ihr Sohn, ein Partisan, grub bei mir nach, ob es nicht doch wahr sei. Weiters wurde das ganze Haus von den tschechischen Vybor durchsucht und der Garten durchstochen - aber nicht's wurde gefunden. Darauf wurde mir aufgetragen, um 6:00 Uhr abends in der Kanzlei der Narodni-Vybor Haus 59 zu erscheinen. Ich ging hin um mich zu verteidigen, obwohl mir schon vorher von ihnen gesagt wurde, ich solle mir den Buckel gut schmieren und mir ein Stück Brot mitnehmen. Wie ich hinkam, saßen beim Tisch über mich zu Gericht: als Vorsitzender der junge Sladki, Sohn des als Weindieb in Prittlach bekannten Vater's Sladki. Meine Verteidigung half nichts. Die Kellerschlüssel wurden mir abgenommen. Ich wurde beschuldigt, auf den Bratten Wein vergraben zu haben und wurde im Haus 59 in einem leeren Keller eingesperrt, bewacht vom dümmsten Knecht Ositschkc. Während ich die ganze Nacht im Keller stand, wurde oben im großen Zimmer desselben,Hauses die gestohlenen Sachen gesoffen und gefressen. Und es wurde getanzt mit den deutschen Mädchen die sich dazu hergaben, wie des Riedl Nachbarn seine 2 Mädel (die jede von einem tschechischen Knecht schwanger wurde). Um 9:00 Uhr vormittags wurde ich herausgeholt, verhöhnt und bedroht und unter Eskorte mit Gewehr auf meine Bratten geführt um mir dort zu beweisen, daß ich Wein vergraben hätte. Vor meinen Augen wurde der Grund durchstochen und nachdem nichts gefunden wurde, hat man mich entlassen. Unter dieser Zeit hat man meiner Frau Brot und Selchfleisch herausgelockt.

Ich hatte für In- und Umbau des Hauses sowie einer Scheuer Eichenpfosten (3 und 4 Zoll stark) sowie Balken und zehntausend gut gebrannte Mauerziegel (Friedensware) vorrätig. Die Rakwitzer kamen mit Wagen und rissen das Tor auf. An der Spitze war der Obmann des Narodni-Vybor, namens Kortschatz. Sie luden alle zehntausend Ziegel samt Pfosten auf und fuhren wieder heim. In zwei Erdgruben waren noch die Kartoffeln und die Rüben und Schnitzel waren auch noch da. Die Rakwitzer kamen und führten alles weg ohne die geringste Zahlung zu leisten. Wenn niemand zu Hause war, stahlen sie alles was nicht nagelfest war aus dem Haus, meist in Begleitung eines Vybor-Mannes oder eines Russen.

In den Weingärten steckten sie Tafeln aus zum Zeichen, daß dieser Weingarten ihnen gehört. Oft habe ich diese Taferl herausgerissen und weggeworfen, die Weingarten weiter bearbeitet und gespritzt, doch immer wieder wurden neue Taferl gesteckt und dann wurde allgemein verboten diese Taferl auszureißen.

Es wurde ausgetrommelt, daß sämtliches Bargeld und die Sparkassenbücher wegen Umtausch in tschechische Währung abzugeben sind. Wer dies nicht tut, dessen Geld und Guthaben wird wertlos! Andernfalls bekommt er in einigen Tagen alles in tschechischem Geld mit Abzug ersetzt. Ich Tor, noch immer im Glauben an Recht, habe mein Bargeld 1.787 Mark und 2 Sparkassenbücher bei Prittlacher Raiffeisenkasse mit Betrag von 5.000 Mark abgegeben. Dafür bekam ich eine Münzliste ausgestellt, die heute noch in meiner Verwahrung ist und auch in Wien später angemeldet wurde. Gleichzeitig mit dem Geldabführen wurde von Tschechen über mein Vermögen von Grundbesitz und Haus eine schriftliche Aufnahme gemacht. Die Münzliste ist datiert vom 5.06.1945 und unterschrieben vom Tschechen Nadamek, ein Macher von der Narodni-Vybor. Ein Sparkassenbuch war auf den Namen der Marie Schneider, geb. Zipfel mit 3.066 Mark in der Prittlacher Raiffeisenkasse, das andere daselbst war auf unseren Namen. Die Marie hatte noch eins in Nikolsburg mit einem Anfangskapital von 1.000 Mark.

Nach und nach wurden die Haustüren beschrieben mit Namen von Tschechen die dort einziehen wollten. Unser Haus wurde nicht beschrieben und nachdem ich nicht bei der Partei war, so hoffte ich noch immer, daß ich auf meinem Haus und Besitz bleiben kann. Die Wirtschaft wurde den Tschechen insgesamt angegeben: Matthias, Gisela, Josef und Steffi Zipfel, Eigenbesitz 8.40 ha, Haus Nr. 30, dazu 2 Keller und Presshaus. Geschätzt wurde damals von uns nichts.

Am 22.Mai 1945 trommelte der Gemeindediener, daß sich sämtliche Ortsansaßen innerhalb einer Stunde vor der Kanzlei zu stellen habe Verpflegung für 2 Tage ist mitzunehmen. Ich war noch kurz vorher auf der Kanzlei und habe nichts davon erfahren. Wie ich die Trommel hörte, ging ich von der Hutweide nach Haus und fand alles in größter Aufregung: wir müssen Haus und Heimat verlassen! Ich sagte, daß es dies nicht gibt und während ich mich setzte und darüber nachdachte, krachte ein Schuß, die Gassentür wurde aufgeschlagen, die Scheiben waren vom Schuß zertrümmert und her ein stürzten 4 Vybormänner, faßten mich beim Arm und zerrten mich auf die Gasse. Meine Frauen liefen voraus. Auf der Gasse standen die Vybormänner mit Knüppel und Gewehr und drohten jedem, der nicht schnell genug ging. Zum Grimmel F. sagte der kleine Sladki: "No Alter, willst bald heraus!" Es sah aus, wie wenn man eine aufgescheuchte Herde zusammen treibt; dies hätte sollen gefilmt werden.

Wir kamen zur Kanzlei. Nur tschechische Gendarmen waren dort und auch russische Soldaten. Wir wurden dort in Reihen aufgestellt. Die ganz Alten und Gebrechlichen kamen auf ein offenes Auto und fort ging es mit uns, unter Aufsicht der gewehrtragenden tschechischen Jugend, bis nach Rakwitz zum Juden Spitz seinem leeren Kuhstall. Dort mußten wir ohne Stroh die Nacht kauernd verbringen.

Den nächsten Vormittag (23.5.) wurden Halbtschechen und unsere Verräter nach Haus entlassen. Die Vybor schossen einstweilen Tauben. Dann ging es wieder in alter Einteilung über Lundenburg nach Reintal, an der Grenze zwischen Lundenburg und Reintal blieben die Autos stecken, wir mußten absteigen und warten bis die Fußtruppe nachkam. Die Rakwitzer, die sich bei mir früher im Keller als Freunde besoffen haben, hatten mich nicht mehr gekannt, so der Walenta, Pardek, Ramenski und Hrdina usw. Sie durften mich auch nicht kennen, sonst wäre es ihnen von der Vybor sehr übel genommen worden. Sie hatten Angst. Jetzt waren wir mitten in den Feldern an der Grenze und marschierten, das ganze Dorf samt dem Pfarrer Heinz, nach Reintal, wo wir uns in Scheunen über Nacht verkrochen. Die Russen lachten. Am nächsten Tag den 24.Mai 1945 gingen wir bis Großkrut wo übernachtet wurde.

Ich ging mit meinem Enkelkind Karl Beichl (7 Jahre alt) bis Bullendorf (Kreis Mistelbach) zum Anton Schweinberger 171, welchen ich von früher durch Pferdekauf kannte und blieb dort über Nacht. Ich wurde gut aufgenommen und sollte dort bleiben. Doch des anderen Tages den 25.5. holte mich meine Frau mit den Wessely nach Großkrut, denn wir durften wieder heim nach Prittlach! Und so gingen wir wieder alle geschlossen heim. Alte Leute wurden von ihren Verwandten mit Schubkarren geführt. Unterwegs wurden wir in Eisgrub, bei der Säule, von russischen Soldaten überfallen. Fast ganz ausgeraubt kamen wir abends zu Hause an. Unter den "Räubern" waren außer den Tschechen und Russen auch Deutsche! Sogar die letzte Kuh war aus dem Stall. Kaninchen etc. waren fort. Wir mußten uns wieder auf der Kanzlei melden, daß wir da sind. Unsere Kuh holten wir auf Haus Nr. 28 zurück, wo unterdessen schon ein Tscheche eingezogen war.

Obwohl jetzt schon mehrere Tschechen im Ort waren, hofften wir doch zu bleiben, geht es wie es will. Doch die Schikanen wurden immer ärger.

Um 3:00 Uhr früh kamen noch die Vybor mit unseren roten Armbindenmännern und dem Bürgermeister und durchstöberten das ganze Haus nach Soldaten und Waffen. Dabei liefen ihnen die Frauen und Mädchen fast nackt davon. In jedes Haferl schauten sie nach Geld und Schmuck und Wertsachen. Sogar bei Tag kamen wieder andere derselben Sorte und durchstöberten das Haus. Die beiden Rebafka Frauen (Haus Nr. 35 + 36) kamen mit dem Wagen auch wieder zurück und hofften auf dableiben.

Doch schon in paar Tagen, am 28.5.45, mußten sämtliche Parteimitglieder mit Familie und auch andere alte Frauen, wie Grimml Witwe (Haus Nr. 25), weil sie ein schönes neues Haus hatte, unter 2 Stunden fort, nur mit Handgepäck. Meine Tochter Kathi Beichl war auch dabei, mit 3 kleinen Kindern. Man hat alles untersucht und das meiste abgenommen: Geld, Schriften, Fotografien und Briefe ihres Mannes aus der Gefangenschaft, Lehrbrief usw. und fort ging es unter Eskorte. Dem Pfarrer Heinz wurde ein Hitlerbild an den Rücken geheftet. Gedroht wurde: wer zurückkommt, wird erschossen. Uber Klenntnitz, Nikolsburg ging es nach Österreich. Auch der Schwager Büchler Adolf mit Familie war dabei. Sie gingen in Österreich zum Schweinberger nach Bullendorf Haus Nr. 171.

Wir blieben zurück und wollten alles halten. Doch trauten wir uns nicht mehr zur Kathis Haus, weil es uns verboten wurde und die Viehhalterin, die tschechische Verräterin, nur zu gut aufpasste. Die schlechte Person hat den Russen und Tschechen alles verraten. Es war lebensgefährlich, solche Häuser zu betreten. Bei der Kathi am Haus Nr. 67 war eine russische Küche. Alles Vieh wurde dort geschlachtet. Da lagen noch die Gerippe, Haut und Hörner der Rinder. Alles war in Scherben geschlagen. Scherben und Trümmer gab es in jedem Haus. Die Tschechen schlichen von Haus zu Haus um zu stehlen. So haben sie mir meinen neuen starken Wagen (noch unbenutzt) aus den Haus gestohlen, außer den zwei gebrauchten Wägen!

Meiner Schwiegertochter ihre Eltern, also die Schubert Großeltern, sind gleich das erste Mal von Großkrut/Reintal nicht mit uns nach Haus gegangen, sondern erst am nächsten Tag und da war ihr neugebautes Haus schon besetzt und sie durften nicht mehr hinein. Es half kein Bitten und kein Flehen. Nicht einmal vor die Tür durften sie sich setzen! Der Schubert Großvater ging nach Auspitz zum Bezirksvorsteher der Narodni-Vybor, doch alles umsonst! Weder eine Kleidung noch etwas zu essen, rein gar nichts durften sie nehmen und gleich mit dem nächsten Transport mußten sie fort, zusammen mit der Kathi. Einige Tage vorher borgte sich der Schubert Großvater unsere neue Sämaschine ( Firma Melichor Nr. 214174) zum Rüben anbauen aus und ließ sie einstweilen bei ihm in der Schupfer stehen. Auch die gab der Tscheche nicht mehr heraus. Trotzdem ich dies der Gendarmerie und dem Narodni-Vybor anzeigte. Ich sagte es dann dem Tschechen Darmarzal, der auf meinem Haus Nr. 30 aufzog, daß er dort noch eine neue Sämaschine hat, welche zum Haus Nr. 30 gehört, er soll sie holen.

Wie noch die Russen requirierten, kam ich einmal dazu wie sie von der Kathi die Zuchtstute vom Fohlen wegnahmen. Ich erhob Einspruch wegen des 4 Wochen alten Fohlens, es half nichts, die Stute wurde weggenommen. Da verlangte ich eine Bestätigung. Auf das hinauf mußte ich mit den Russen auf den Wagen steigen und sie sollten mich nach Rakwitz schleppen um mich unterwegs zu verprügeln oder in Rakwitz einzusperren. Ich flüchtete mich durch zwei Häuserreihen in die Weingärten hinaus. So ähnlich ging es Tag und Nacht zu. Es war keine Ruh, nur immer Aufregung.

Im Keller hatte ich in einem leeren großen Faß durchs Faßtürl gute Wäsche hineingegeben, die Russen fanden sie nicht und ich nahm dieselbe beizeiten wieder heraus und trug sie heim. Der Knecht Konecny, welcher mit der Tochter vom Bürgermeister Fibich, also mit der Marie ein Kind hatte und gegenüber beim Strmiska im Presshaus wohnte, sah dies. Sofort war die Narodni-Vybor hinter mir und nahm die Wäsche ab. Dieser Knecht hat bei mir auf Konto der Russen auch Wein und Fässer gestohlen, ich habe ihn einmal sogar selbst erwischt. Der Beichl Franz (Haus Nr. 5) hatte von seinem Gummiwagen die Räder heruntergenommen, damit denselben niemand nimmt, die Vybor kamen dahinter, er mußte die Räder jetzt selber zur Kanzlei führen, per Schubkarren und wurde dort von dem Vybormann Pslinek, der früher bei ihm Knecht war, so sehr verprügelt und getreten, daß er 4 Wochen im Feldsberger Spital schwer krank lag. Auch von unserem Fahrrad gab ich die Gummischläuche ab, das Rad blieb unbeschädigt am rückwärtigen Boden liegen. So blieb auch trotz allem Suchen noch bei uns in der Schupfer, vorn gleich links, eine eisenbeschlagene Kiste mit neuer Kleidung und Schuhen (von Pepi) vergraben liegen. Und in der Scheuer auf der Tenne links vorne und rückwärts je 1 Hafen Schweinefett vergraben, welche nicht mehr ausgehoben wurden, solang ich in Prittlach war.

Dann, am 20. Juni 1945, mußten wir alle ins Lager, das war das Haus Nr. 17 in Prittlach, welches innen ganz ausgebrannt war, keine Fenster und Türen waren mehr da. Aus Platzmangel wurde auch das Haus Nr. 59 in Prittlach rückwärts und die Stallungen vom Haus Nr.17 und der Schüttboden von Haus Nr. 17 als Lager benutzt. Alte Betten und etwas Bettzeug durfte mitgenommen werden. Gekocht wurde im Haus Nr. 17 für alle. Meist nur Kartoffel, welche in den leeren Häusern noch zu finden waren. Früh und abends etwas schwarzen Kaffe den ganzen Tag nur 1 Stück Brot.

Die Häuser wurden von Tschechen aus den Nachbardörfern des Ostens besetzt, denn der Westen und der Süden war geschlossenes altes deutsches Gebiet (gehörte damals zu Niederdonau). Prittlach war bis zu dieser Zeit rein deutsch. Diese zugereisten Tschechen bezogen die Häuser mit allem vorhandenen lebenden und toten Inventar Möbeln und Vorräten an Frucht, Heu und dergleichen. Ich hatte noch 2 Fuhren Heu am Boden des Hauses Nr. 52. Ich glaubte Prittlach wird und kann nie tschechisch werden, und nun war es dies in ein paar Tagen!

Diese zugereisten Tschechen kamen jeden Morgen mit verschlafenen Augen und holten sich die Leute vom Lager zur Arbeit, oft der Knecht seinen früheren Herrn auf dessen Besitz. Ansonsten durfte kein Prittlacher in seinen Grund oder Weingarten um Obst zu holen oder dergleichen, auch keine Kinder. Anfangs bekamen die Leute bei der Arbeit noch etwas zum Essen, später wurde dieses streng verboten. Die Folge war, daß die Leute die Ruhr bekamen. Es war kein Arzt da; die Leute ,wurden oft spät ins Spital geschickt.

Im Gemeindegasthaus wurde abends bis vor Mitternacht getanzt, von den Tschechen und Russen gemeinsam getrommelt, und allerlei Tumult getrieben in guter Weinlaune und Harmonika gespielt. Nach "Mitternacht kamen sie vereint ins Lager und vergewaltigten die Mädchen und Frauen, nahmen ihnen die Ringe und Ohrgehänge ab. Oft mußten sie aus dem Lager heraus und wurden auf ein Auto geladen, wo sie von mehreren Russen mißbraucht wurden und oft erst in der Früh ins Lager kamen um wieder in die Arbeit geschickt zu werden. Es wurde wohl später zum Schein ein Vybormann als Posten aufgestellt, doch es rührte sich erst etwas, bis die Frauen hinter verrammelten Türen einfach Feuerlärm schlugen und ihre Männer vom Dachboden herunter kamen.

Jeder Deutsche, ob Mann oder Frau oder Kind mußte auf weißen Leinwandfetzen ein schwarzes "N" tragen, auf der Brust, zum Zeichen daß er Nemez ist. Wehe dem, der dies vergaß, auch nur auf Minuten, der wurde saftig verprügelt. Auch das Lager durfte ohne Erlaubnis des Lagerverwalters nicht verlassen werden. Auch nicht in die eigene Wohnung nach Haus.

Im Haus Nr. 59 wurde alle Frucht und Wein, soviel noch aufgespürt wurde, aufbewahrt. Ich habe selbst einmal 35 cbm dort einfahren und abwiegen müssen. Das Mehl wurde unter den Tschechen verteilt ( 11 cbm). Der Wein von den Vybormannen (Burschen) ausgetrunken.

Viele Prittlacher versteckten in abgesonderten Kellern Wein und Lebensmittel, Wertsachen etc., vermauerten diese Keller beim Eingang. Doch dies wurde meistens verraten, durch Neid und Mißgunst von den nächsten Verwandten. So wurde auch der Kelleranteil von Büchler Johann (Haus Nr. 94) verraten, daß er vermauert ist, es sollen dort 65 Eimer Wein, Fleisch, Koffer mit Bekleidung und Beschuhung sowie die Messekleider und Monstranzen der Kirche versteckt gewesen sein. Ich hatte dort 2 hl Wein, von dem ich keinen Tropfen mehr bekam, obwohl noch rasch vor der Entdeckung manches gehoben wurde. So ging es auch bei der Bartoschitz ihrem Kellerrücken. Auch hatten wir beim Schneider (Haus 52) im Hauskeller, Kleider und Wäsche, doch es wurde meist alles gestohlen. Es ist auch gleich wann und wo gestohlen wurde, denn wir hätten die Sachen ohnehin nicht mitnehmen dürfen.

Ich mußte dem Tschechen, der auf meinem Haus Nr. 30 in Prittlach aufzog, alle meine Grundstücke zeigen. Er hieß Darmovzal und war früher Knecht beim Juden Spitz in Rakwitz. Er hatte schon eine Frau und drei Töchter. Wir fuhren mit einem Pferd, das angeblich ihm gehörte, zuerst zu den Wiesen, Feldern, Weingärten und Presshäusern, dann ins Haus. Zu essen und trinken bekam ich nichts.

Ich frage den Leser dieser Zeilen, ob er sich in meine Lage hinein denken kann, als ich dies, tun mußte. Ich, der ich mit all meinem Leben und Streben, in Fleiß und Ausdauer, in Sparen, und Kummer oft ohne Rücksicht auf Weib und Kinder, diese Wirtschaft erst hoch brachte! Ich, der ich mir schwor, bei Gott, meinen Kindern eine Existenzmöglichkeit und mir einen, halbwegs angenehmen Lebensabend zu schaffen, muß nun all dieses schwer erarbeitete Gut, ohne jede Schuld, einem ganz unbekannten Menschen übergeben und mich der Straße überlassen, obdachlos, heimatlos und dazu bettelarm, alt und verbraucht.

Ich sage daher, diese Aussiedlung war das größte Verbrechen. An uns Ausgesiedelten wurde das größte Verbrechen begangen, das .je die Welt erlebt hat. Das nennt man Gerechtigkeit, ja gibt es da noch ein Weltgewissen, an was soll man da noch glauben! Die Weltgeschichte ist das Weltgericht heißt es, doch es fragt sich, wer diese Geschichte schreibt, es gibt hier keine Ausreden für Nation oder Religion.

Ich mußte wieder ins Lager und nichts mehr bekam ich an Inventar oder Kleider oder sonst etwas aus dem Haus heraus. All die Andenken an Vater und Mutter, Brüder und Schwester, Freunde und Wohltäter wurden ganz einfach in den tiefen Graben beim Ortseingang geworfen und vernichtet. Und in der Kirche wurde von einem tschechischen Priester ein Dankgottesdienst abgehalten, mit einem Chor "domov mui" = Meine Heimat= tschechisches Nationallied. Einige Prittlacher - Deutsche die dabei waren und beim absingen des ihm unbekannten Liedes nicht aufstanden, wurden verhört und bestraft. Eine Schande für diese Nation.

Und Gott schweigt, während ihre Priester, predigen: liebe deine Nächsten wie dich selbst. Die Frau vom Tierarzt Odechnahl mußte mit den bloßen Händen die Kuhfladen von der Straße räumen. Die Beichl Agnes, 63 Jahre alt, mußte im Hof des Lagers im Laufschritt auf und ab und dabei auf und niedermachen, zum Schluß am Misthaufen mit verschränkten Armen eine Stunde stehen. Die alten Haan Leute 84 Jahre alt wurden grün und blau geschlagen, weil sie in ihr Ausgedinghäusl gingen um sich etwas zu kochen. Es war nicht mehr zum Aushalten.

Eines Sonntagsnachmittags mußten wir antreten. Die Männer und Burschen vorn, wie immer die Weiber hinten wenn es Kontrolle gab. Es kamen zwei junge Tschechen mit einem Vybor - Oberleutnant und musterten einige Burschen und einige Alte aus, stellten uns auf und wir wurden ausgefragt. Mich fragten sie, ob ich bei der Partei war, nein, wo sind denn dann die Männer der Partei, ich sagte ihnen, daß dieselben längst fort sind, der Rest davon wurde auch von tschechischen Vybor schon verjagt, sodaß niemand von der Partei mehr im Lager ist. Darauf ließen sie uns wieder alle frei. Ich suchte darauf in Auspitz an, mich nach Österreich zu meinen Kindern zu entlassen was mir bewilligt wurde. Meine Wirtschaft hatte schon ein Tscheche, ich war ja schon enteignet, wozu noch länger dieses Trauerspiel. Meine Frau kam fast jeden Tag weinend aus der Arbeit von den Tschechen. Kaum hatte ich die Bewilligung im Sack, mußten wir wieder alle antreten. Frauen vorn, Männer rückwärts. Es kamen Gummiwagen von der Herrschaft Pavlowitz mit dem Verwalter und den Knechten mit der Peitsche und musterten uns alle streng aus als Arbeiter für den Hof.

Es sah aus wie auf einem Viehmarkt: mit Gurte und Peitsche durch die Reihen der Weiber und Männer, wer noch besser zur Arbeit ist. Es wurde dabei rücksichtslos Mann und Frau getrennt und sofort auf den Wagen verladen und fort gings nach Pavlowitz auf den Hof als ständiger Arbeiter. Auch meine Frau war dabei samt Schwiegertochter! Auf das hinauf zeigte ich dem Lagerverwalter meine Bewilligung und er gab zu verstehen, daß sie beide verschwinden sollen, denn auch ihm paßte es nicht, daß freie Arbeiter aus seinem Lager sollen. Um einer strengen Kontrolle im Lager schon auszuweichen, machten wir uns frühzeitig des anderen Tages auf den Marsch, es war am 10. Juli 1945. Mit uns gingen als Erste - außer mir, meiner Frau und unserer Schwiegertochte noch der Schreiber vom Lager, der Fibich mit dem einen Arm und seiner Mutter, die Frau des Jungen Fibich Ignaz von der Villa. Dann der Fibich Andreas (Spitzmaus) und die Frau des Gemeindesekretärs Triebel Eduard samt Sohn.

Dieser 10. Juli bleibt ein
Gedenktag der Familie Zipfel

Mit einem Sack voll alter Kleidung am Rücken, die Frau ein Schubkarren mit alten Sachen und die Schwiegertochter mit einem Kinderwagen, auch mit solchen Sachen gepackt, marschierten wir vom Haus Nr. 17 rückwärts hinaus, zum Groß Nr. 43 dann in unsere Dreifaltigkeitsgasse hinunter, an unseren Geburtshäusern Nr. 30 + 22 vorüber, gegen Neumühl. Dieses Gefühl, mit dem man so schuldlos am Elternhaus vorüber muß, ist nicht zu beschreiben! Ich war doch bei keiner Partei und kein Freund des Krieges und hab nie jemand etwas Leides getan, sondern nur an mir hat man Unrecht verübt! Wir waren die unschuldigen Opfer einer wahnsinnigen Politik, niemand hat sich unserer angenommen, kein Papst und keine der gerechtigkeitsliebenden Nationen.

Der Leidensweg ging weiter über Neumühl, Pulgram, Voitelsbrunn, diese Dörfer waren auch schon von Tschechen besetzt, die uns nicht einmal mehr ein Trinkwasser vergönnten. In Voitelsbrunn mußten wir bei der Finanz warten, bis es den Herrn gefällig war, uns zur Grenze zu begleiten, wo wir nochmals genau Stück für Stück untersucht wurden. Dabei wurde uns noch manches abgenommen, sogar der Schubkarren. Es war ein Kreuzweg für uns, ein Weg nach Golgatha, über diesen Berg. Zum Glück fuhr noch ein Wagen vom Feld, denn es war schon so ziemlich dunkel, der uns bis nach Steinerbrunn mitnahm. Der Wagen gehörte der Frau Florian, Steinerbrunn Haus Nr.22, wo wir auch nach einem Essen am Boden übernachteten.

Des anderen morgens fuhr die Schwiegertochter mit Bauern nach Bernhardstal zu ihren Eltern. Wir blieben noch, ich und meine Frau, bei der Frau Florian Haus Nr. 22. Am 13. Juli 1945 ging meine Frau nach Erdberg bei Poisdorf zur Tochter Kathi. Die Kathi war auf mein Anraten bei ihrer Ausweisung mit Schwager Büchler Adolf, seinen beiden Brüdern und deren Frauen zum Anton Schweinberger, Bullendorf Haus Nr. 171 gegangen. Der schickte sie nach Erdberg, das 1/2 Stunde davon ist, zu seiner Tochter Anna (eine Kriegswitwe nach Leopold Schuckert) um dort in ihrer Wirtschaft zu arbeiten. Weil aber dieses Haus abgebrannt ist wurden sie ins Quartier zur Barbara Binder, Erdberg Haus Nr. 97, geschickt. Am 16.Juli ging auch ich nach Erdberg, wo ich sie alle gesund antraf.

Die Wohnung bestand aus 1 Küche und 1 Zimmer wo wir nun alle schlafen mußten, nämlich: ich und meine Frau, Kathi mit 3 Kindern, Schwager Büchler Adolf mit Frau und seinem Sohn Adolf. Von seinem zweiten Sohn Franz hat er Nachricht, daß er gefallen soll sein. Also waren wir 8 Personen in einem Zimmer. Die anderen Brüder mit ihren Frauen und der Tochter Agnes Schubert waren in einer anderen Wohnung. Nachdem sie mit dem Anton Schweinberger nicht zufrieden waren, gingen alle in andere Häuser in Arbeit, meist für Kost und Frucht. Wir, ich und meine Frau gingen später doch zu den Schweinberger in Arbeit und waren zufrieden mit ihm. Es war gute Landmannskost, Fleisch, Speck, Fisolen und Brot, dabei Wein. Bei der Tochter Anna hatten wir immer Arbeit und gutes Essen und Brennholz und Frucht. Auch bei der Schwiegermutter Schuckert Erdberg Haus Nr.91 waren wir oft. Bei der Hausfrau Binder waren wir auch in Arbeit, war auch gut in Essen und Trinken. Doch hatten wir fast Tag für Tag Besuch von den Russen. Diese zogen täglich mit Herden von Rindern, Schafen, Schweinen, Pferden und Ziegen etc. durch. Oder fuhren sie in Lastwagen ebenfalls mit Tieren beladen: und sie blieben meist im Ort auf Stunden, um Wein, Uhren, Kleider etc. zu stehlen.

In einem Fall, wo ich dabei war, kamen 3 besoffene Kerls in russischer Uniform vormittags zur Wohnung der Binder, verlangten Einlaß und gaben sich als Polizei von Wien aus. Der Schwager der Frau Binder, Ministerialrat Fritz Gold, öffnete ihnen, doch sie wollten in die Wohnung. Die war versperrt und er sagte, er habe keinen Schlüssel, den hat die Frau. Daraufhin wollten sie in unsere Wohnung, die ebenfalls versperrt war und meine Schwägerin Tini Büchler von innen verriegelt hatte. Die Russen hieben mit Gewehr und einer Bank an die Tür, doch die Tini rührte sich nicht. Da wollten die Russen mich an die Wand stellen, und wenn jemand drinnen,- dann auch schiessen! Die Russen mußten sich aber doch vorne mehr versprochen haben, weil sie bei unserer Wohnung abließen und nach vorne stürmten, die Türe einschlugen und in beisein des Ministerialrates die Wohnung ausplünderten: Geldkassette, Gold, Sparbücher, Kleider etc. wurde beim Fenster hinabgeworfen und unten war ihr Auto in das alle Sachen sofort eingeladen wurden und so rasch wie gekommen, so rasch waren sie davon mit ihren Revolvern. Bis ich die Hilfe brachte waren sie weg! Es wollte niemand mit mir gehen! Unterwegs warfen sie die Sparbücher und Schriften aus dem Auto. Es sollen gar keine Russen gewesen sein. Nur Gauner!

Anderer Fall: der Ministerialrat fährt nach Wien zu seiner Frau, bepackt mit Koffer, Lebensmittel, Briefmarkensammlung usw. Ein Reiseauto nimmt ihn unterwegs auf, fährt mit ihm weiter, bleibt dann stehen er muß absteigen. In dem Augenblick fährt ihm das Auto mit seinem Gepäck davon. Sie zeigen ihm den Weg nach Haus und lachen ihn aus. Der Kathi haben sie eine Decke gestohlen, dem Schwager 1 Eimer Wein. Für Schnaps und Speck vertauschten und verkauften sie Kühe, so bei Frau Reim und Spazierer. Die Frauen mußten die Kühe melken, bekamen dafür auch etwas Milch. Es gab auch in Erdberg Verräter unter den Dorfbewohnern, die den Russen alles sagten, wo etwas zu finden ist. Es war keine Ruhe vor ihnen, weil die Reichstraße nach Wien durch Erdberg ging und da zogen die Russen Monate mit ihrer Beute aus Deutschland durch. Dazu hatte Erdberg noch keine elektrische Beleuchtung.

Wir bezogen Lebensmittelkarten, doch keine Lebensmittel höchstens Kaffeersatz. Es gingen daher die meisten Flüchtlinge in die nahen Ölwerke nach Neusiedl. Ein anderes Beispiel, ich begegnete in Poysdorf einen Bauern und erzählte ihm mein Schicksal, der Bauer gab mir zur Antwort: Ja, einnisten wollt ihr Euch hier! In Poysdorf fragte ich einen Bauern wo man Wasser kriegt, er sagte mir kurz nur: im Brunnen! Es gibt überall gute und auch schlechte Menschen. Menschen die sich nicht in solche Lage versetzen können und es einfach nicht glauben können. So sagt mir ein Herr in Niederleis bei Mistelbach, ja ihr wards bei der Partei und habt's die Tschechen schlecht behandelt, darum müßt ihr hinaus. Es half nichts, daß ich ihm vom Gegenteil sagte. Ich traf aber auch in Niederleis und in Mistelbach gute Bekannte die mich bewirteten und freundlich waren. In Mistelbach war der Pepi lange Zeit eingerückt und er ging von Mistelbach über Nikolsburg nach Frankreich an den Kriegsschauplatz, wo er im Sommer 1944 gefangen wurde und bis heute noch in Nord-Schottland in Gefangenschaft ist.

In Mistelbach, so auch in Erdberg gibt es viel Weinbau, speziell der Erdberger-Welschriesling ist eine ertragreiche, widerstandsfähige Sorte mit großen schönen Körnern und Trauben. Sehr empfehlenswert, besonders in den Weingärten der Frau Reim beim Friedhof. Erdberg hat auch viel Feldbau. Bei manchen Bauern lagen zu dieser Zeit 12 - 18 Metzen hohes Beiergras brach und Jahre schon unbebaut. Für 1 Joch Frucht mähen bekamen wir 1 cbm Frucht - das war für uns die Rettung aus der Not. Das Dreschen zog sich wegen Treibstoffmangel bis in den Winter hinein. Jeden Tag blies der Gemeindediener etwas von den Flüchtlingen. Man wollte sie von mancher Seite aus los werden, weil der Zustrom zu groß wurde. Obwohl die Österr.-Regierung bemüht war wenigstens die Leut von der Landwirtschaft zur Erntearbeit behalten zu dürfen, drängte die russische Militärmacht auf Ausweisung. Österreicher beschlossen und die Russen befahlen und so kam es zur Ausweisung der Flüchtlinge.

Von Tschechen verjagt war schwer - von den deutschen ausgewiesen werden - nicht leichter! Der Schweinberger wollte mich halten, doch nachdem die Schwiegertochter schnell fort mußte, so mußte ich doch annehmen, daß Pepi nicht mehr kommt. Schwiegersohn Schneider wurde vom Bahndienst als Beamter entlassen und mußte auch fort. Jedoch nicht im strengen Winter, sondern später. So entschlossen wir uns mit dem Schwiegersohn Schneider als letztes auch mitzugehen. Und so reisten ich und meine Frau am 27. Jänner 1946 in aller Stille nach Guntersdorf zur Tochter Marie Schneider, wohin uns schon die Tochter Kathi seit dem Herbst vorausgezogen ist, samt Kinder.

Am 6. Februar sollten wir ja von Erdberg abgehen ins Reich, deshalb unsere Reise zur Marie, im strengen Winter, beim schlechtesten Bahnverkehr, denn wir konnten nur von Mistelbach bis Laa an der Thaya mit der Bahn fahren und mußten von Laa bis nach Guntersdorf ungefähr 40 km zu Fuß mit dem schweren Rucksack wandern. Zum Glück trafen wir in Laa einen Bierwagen, der nach Kamersdorf die Strecke fuhr, so konnten wir 18 km weit auf dem Bierwagen sitzen, bei großer Kälte und Schneesturm im Pferdeschritt.

Von dort fuhren wir mit einem Wiener Auto in die zweitnächste Ortschaft wo wir um 1/2 10:00 Uhr nachts ankamen und mit viel Glück und, Betteln bei einem braven Bauern Nachtquartier und Essen bekamen. Den nächsten Tag in der Früh, ging es bis Guntersdorf weiter, wo wir um 1/2 10:00 Uhr ankamen, zu Fuß. Dies war das erstemal. Wollten wir das meiste Gepäck haben, so mußten wir diesen Weg noch einigemal durchmachen. Kathi und Schwiegersohn Schneider gingen einmal ganz zu Fuß hin und her.

Auch über Wien fuhren wir einmal, gingen um zum Beichl Franz und einmal um 9:00 Uhr abends zur Schneider Resi nach Langenzersdorf. Unbeschreiblich, was ich an Strapazen dabei mitmachte! Einmal gingen wir von Laa die Straße nach Zellersdorf bis nach Mailberg über einen steilen Berg hinauf durch den Wald. Die Straße war keine! Tief von den russischen Lastenauto aufgewühlt, sodaß man einfach nicht gehen konnte. Ich wollte ein Fuhrwerk aufnehmen, doch trotz Geld und Betteln traute sich kein Bauer einzuspannen, so mußten wir zu Fuß Schritt für Schritt, Rast um Rast gehen. Die Weiber trugen drei Binkerl. Todmüde kamen wir nachts nach Immendorf und fielen gleich im ersten Haus ein, wo wir doch nach weinendem Betteln in einem leeren Stall liegen konnten, während draußen die Russen singend und johlend in den Autos vorüberfuhren. Nachts hatten die Russen wieder am anderen Ende des Dorfes eingebrochen.

Wir gingen ohne Frühstück unseren Weg weiter. In Guntersdorf, eigentlich gehörte die Wohnung noch der Gemeinde Grund, also in Grund wollte man uns nicht aufnehmen und ich mußte erst zum Landrat nach Hollabrunn um die Bewilligung. Auch hier wurden die Flüchtlinge als minderwertige Menschen angesehen, als lästige Zugewanderte. Wenn ein junges Bäumchen am Straßenrand dürr war, so war dieses Gesindel schuld daran und es wurde über die Bande geschimpft, die hätten sollen über der Grenze bleiben. Die Juden wurden in den Predigten der Kirche bedauert, daß man sie ausgewiesen hat, doch der vielen hunderttausend frommen, christlichen, arischen Familien wurde mit keinem Wort gedacht. Alles dukt sich der Macht, des Hitlerismus. Uns beschuldigt man allein nicht mit Unrecht, daß er nicht für Religion war, doch ich sah ja, wie auch die Russen während der Messe singend vor der Kirche auf und ab marschierten und diesselbe während der Bitt­ und Auferstehungsfeier.

Auch hier waren wir an einer Reichsstrasse, Hollabrunn - Wien, dasselbe war auch hier mit dem täglichen Viehtransport aus Deutschland. 14 Tage waren wir, ich und Frau, bei einem Bauern namens Franz Rohringer in Guntersdorf Haus Nr. 97 in Arbeit. Es ist uns auch dort in Essen, Trinken und Arbeit gut gegangen, doch es war auch hier kein bleiben, weil eben alle Flüchtlinge hinaus mußten. Schwager Franz Osswald schrieb aus Erdberg, daß er mit unserem Transport mitfahren will, damit er zu seinem Schwiegersohn nach Durlach bei Karlsruhe käme und so käme so kam auch er zu uns, so daß wir doch 4 Wochen 12 Personen in der Wohnung waren (2 Zimmer, 1 Küche).

Nachdem sich der Transport immer in ungewisse Zeit hinausschob, suchte der Schwiegersohn Schneider mit anderen Kollegen von der Bahn bei der deutschen Delegation für Ausgewiesene in Wien an, um Beistellung eines Wagons bei Wien um von dort aus mit dem nächsten Transport ins Reich zu kommen, ohne das Lager in Melk zu berühren. Wir fuhren daher am 4. in der Nacht zum 5. Mai von Guntersdorf mit separatem Wagon nach Wien, Hütteldorfer Bahnhof. Gerade um 2 Tage früher als die anderen Guntersdorfer Flüchtlinge abtransportiert wurden. Wir haben sie nie mehr getroffen. Es war der Bürgermeister Rauscher von Zuckerhandl dabei.

Am Hüttelsdorfer Bahnhof mußten wir fast 6 Wochen bis 14. Juni warten auf Anschluß. Wir waren im ganzen 27 Personen mit Gepäck in einem Wagon. Wir hatten daher genügend Zeit alle unsere Verwandten und Bekannten aufzusuchen und wurden so um so manche bittere Enttäuschung reicher. Gut aufgenommen wurden wir von unserer alten Schwägerin Adele Zipfel und vom Neffen Leopold Lantsch Unterpurkersdorf, Antonshöhe, Hiesbergasse 11. Denen sind wir Dank schuldig. Doch ein Gegenstück: zu meinem Geschwisterkind und Firmpaten Johann Bresowski, Wien, 10. Bez. kamen wir, er entschuldigte sich, daß er nicht aufwarten könne und zeigte uns all seine Herrlichkeiten und Zimmern, nachdem wir über Orts­ und Familienverhältnisse gesprochen, empfahlen wir uns von ihm und sagten er möge unsere Grüße an seine Geschwister ausrichten, darauf fragte er ganz schlagfertig, Wie ist Ihr werter Name?Ich war augenblicklich sprachlos, soeben hatten wir ja per Du gesprochen, er besann sich schnell wieder und begleitete uns bis zum Haustor.

Zum Glück war schönes Wetter. Essen bekamen wir auch von Amerikanern, zum Teil von einem Lager. So unterhielten wir uns untereinander und durch Besuch von Prittlachern die auch in Wien waren.

Eines Morgens sah ich vor der Wagontüre einen Haufen .... der Ordnung halber putzte ich diesen zusammen und warf denselben abwärts über einen lebenden Zaun und gehe meinen Weg. Da kommt mir ein Herr nach, ruft mich und fragt ob dies meine Absicht war. Ich sah erschrocken, daß ich den guten Herrn in seinem Feiertagsanzug, es war Pfingstsonntag, direkt auf den bloßen Kopf damit getroffen habe. Ein Meisterschuß! Es blieb mir nichts übrig als entschuldigen und reinigen helfen. Doch es bleib in Erinnerung wenn man sich für andere hergibt. Es war lustig!

Beim Waschen ließ ich meinen Ehering liegen, als ich es merkte, war der Ehering für immer verschwunden. Es war kein Fremder anwesend, nur wir 27 Leute, wovon nur 3 - 4 in Betracht kamen. Also gemischte Sorte!

Am 14. Juni vormittag wurden wir entlaust, das soll heißen: gegen Lausgefahr eingestaubt und dann wurde unser Wagon an einen amerikanische Transport angekoppelt.

Am 14. Juni 1946 um 12:00 Uhr fuhren wir endlich von Hütteldorf ab; über Linz nach Piding an der bayrischen Grenze, wo wir nochmals untersucht wurden und gegen Ungeziefer eingestäubt. Von da über Traunstein, Traunsee, wo wir die Bergesgipfel mit Schnee bedeckt sahen, nach München, Ulm, Stuttgart und Waiblingen. Hier in Waiblingen wurden wir mit Autos nach Backnang ins Lager, das heißt, eigentlich nach Murrhardt bei Backnang, ins Lager gebracht, weil keine Bahnverbindung dahin wegen gesprengter Eisenbahnbrücken möglich war Im Lager Murrhardt sind wir am 18. Juni 1946 angekommen und wurden im Gemeinschaftshaus, Turnsaal, untergebracht, wo ich sofort an Kathi's Mann und Schwiegermutter telegrafierte ebenso auch an Ludwig Ernst. Die nächsten Tage vergingen mit Untersuchungen und Aufnahmen. Liegestatt und Schlafen im Saal alle gemeinsam, so auch das Essen. Um satt zu werden, mußten wir die von den Amerikanern in Hütteldorf gefaßten Fischkonserven und Zwieback hier zusetzen. Hin und wieder bekamen wir Most zu kaufen.

Obzwar unser Geburtsort Prittlach eine ausgesprochene gute Weingegend war, so hatten wir doch auch größeren Feldbau und Viehzucht, besonders Pferdezucht, weil ja viel Weide und Wiesen waren. Wir waren daher erstaunt, hier fast keine Pferde anzutreffen. Meist Rinderzug ohne Kreuzzügel in kleinen Wagen, recht lang, ein Strang ohne Kummat und Brustkette, meist von Frauen gelenkt, da die Männer zum Großteil in die Fabrik gehen. Die Wirtschaften sind verteilt und infolge des gebirgigen und bewaldeten Bodens zu klein und noch dazu wird sehr viel Obstbau betrieben. Für den Obstbau ist guter Absatz in den Städten. Die Leute sind fleißig und sparsam, ein gesunder Menschenschlag nur schwer zu verstehen in der Sprache, schwäbischer Dialekt. Auch die Häuser sind in schwäbischer Bauart, Holzbau mit Backsteinfüllung.

Wenn ich in meiner Jugend durch tschechische Ortschaften ging, schrien mir dort die Kinder nach, Schwabe, ich wußte nicht warum, nun sagt man uns wir stammen aus Schwaben. Ich glaube trotzdem nicht daran, weil nirgends in der Geschichte eine Abwanderung oder Einwanderung nach Mähren zu lesen ist. Wohl waren Auswanderungen nach Osten, so nach Müller Gutenbrunn, der große Schwabenzug nach Ungarn, doch nicht nach Mähren, denn der Ort Prittlach bestand ja schon im zwölften Jahrhundert und die verschiedenen Mundarten beweisen nichts weil dies bei den tschechischen Ortschaften auch vorkommt. Prittlach war deutsch und wird wieder deutsch werden. Wenn einmal ein Tscheche zugewandert ist, beweist dies noch immer nichts. So ist der Name Hlinetzky nach Prittlach gekommen, weil in Jahr 1805 ein Kaspar Hlinetzky das Haus Nr. 59 von einem J. König kaufte.

Wir waren in Murrhardt bis 1. Juli 1946. Gingen auch gemeinsam, das ganze Lager, Kartoffelkäfer klauben. Es gab nicht viel Kartoffeläcker, sie waren klein, auch fehlte der Saatgutwechsel. Hier in Murrhardt kam der Josef (30.06.), der Kathi ihr Mann, nach 2 1/2 Jahren wieder zu seiner Familie, von seinen jüngeren Kindern nicht mehr erkannt. Er kam schon früher aus der Gefangenschaft und war in Bayern im Dienst bei einem Bauern. Wie muß es auch ihm zu Mute gewesen sein, nach so langer bewußter, Dienstzeit, seine Familie in solchen Verhältnissen zu treffen. Heimatlos, wo er sie doch voller guter Wirtschaft verlassen hat.

Ja, man sagt uns, wir wären Kolonisten. Nun fragt es sich: die einen behaupten: wir stammen aus Schwaben, die dritten behaupten, wir wären vom Bistum Passau aus, also aus Bayern besiedelt usw. Hin- oder hergesiedelt, wir waren da und dies genügt. Es wird doch niemanden einfallen, die Amerikaner als Kolonisten zu betrachten. In Murrhardt wurde auch uns zulieb, im Lager ein Theater gespielt, auch ein Sänger-Chor kam zu uns. Die Bewohner Murrhardts sind meist Beamte, Pensionisten, Arbeiter und Gewerbetreibende, nur wenig Bauern, es ist auch eine Lederfabrik dort.

Am 1. Juli wurden wir eingeteilt in Gruppen, nach Winnenden und Waiblingen, wir kamen per Auto wieder nach Waiblingen zurück ins Lager. Vergessen hätte ich beinah wieder die Polen, die auch mit uns im Lager Murrhardt waren und sich viel mit Schwarzhandel abgaben, sie gingen vor uns von dort ab, angeblich nach Amerika. Verdächtige Gestalten. In Waiblingen war das Lager an der Bundesstrasse Richtung Fellbach. Es waren Holzbaracken neben der Gärtnerei Münz. Diese Gärtnerei ist weit über die Grenzen des Reiches bekannt. Wohl wäre es heute besser, diese vielen ha mit Kartoffeln oder Korn zu bebauen.

Wir verbrachten hier die Tage in Erwartung des Kommenden. Wir sangen noch leise unser Südmährerlied.

Es lautet:

1.) Wo der Thaya Wellen schlagen an den Strand,
wo von Nikolsburg das Schloß blickt weit ins Land
wo die stolzen Bergen grüßen weit hinaus
dort ist meine Heimat, ist mein Vaterhaus.
2.) Wo der Tschechen Willkür uns vom Hofe trieb
wo sie uns noch raubten, was uns wert und lieb
wo wir flüchten mußten fort bei Nacht und Wind
dort ist meine Heimat, dort zieht es mich hin.
3.) Wo die Tschechen ziehn, jetzt plündernd weit u. breit
wohnten unsere Ahnen schon vor alter Zeit
dort stand meine Wiege, dort bin ich zu Haus
dort ist meine Heimat, ist mein Vaterhaus.
4.) Nun so wollen wir geduldig Gott vertrauen
und mit klaren Augen in die Zukunft schauen
wollen immer rufen in die Welt hinaus
dort ist meine Heimat, ist mein Vaterhaus
5.) Wo im Frührotschein das Lied der Lerche klang
wo sie im Sommerwinde im Ährenfelde sang
wo der Tschechen Willkür uns vom Hofe trieb
dort war unsere Heimat und die bleibt uns lieb.
6.) So wie unsere Ahnen schon in alter Zeit
waren auch wir der alten Scholle treu
wo die Tschechen hausen jetzt im stillen Ort
das war unsere Heimat und wir mußten fort.
7.) Fort vom schönen lieben Heimatland
wo vor langen Jahren unsere Wiege stand
wo die Kindheitstage wir in Lust verbracht
wo in frohen Wonnen, wir gejauchzt, gelacht.
8.) Trieb der Tschechen Haß uns fort von Haus und Hof
deutsche Menschen sind und bleiben wir ja doch,
eh wir untreu werden unseres Volkes Ort
dienen wir der Fremde, sei es noch so hart.
9.) Wohl sind wir bei Menschen und die sind uns gut
trösten ständig uns mit frischem, neuen Mut
doch die heiße Sehnsucht nach der Heimat hin
die wird immer brennen tief im Herzen drin.
10.) Wenn dies Los auch jetzt so schwer und trostlos scheint
wir verlassen uns auf unsern Gott allein
er wird alles lenken in die rechte Bahn,
daß wir widerkehren heim ins Vaterland
11.) Einmal kommt der Tag der unsre Sehnsucht stillt
unserer Herzen großen heißen Wunsch erfüllt
alles Leid wird schwinden und vergessen sein
wenn die Stunde kommt und wir kehren heim
12.) Wartet nur ihr Tschechen, hört und paßt gut auf
eure Taten schrein zum Himmel auf
Gott wird's euch bezahlen das steht uns schon fest
er wird uns erlösen von der Tschechen pest.
Melodie nach : Wo der Nordsee Wellen ......

Hier in Waiblingen mußten wir uns von unseren Reisegefährten trennen. Schwager Franz kam nach Durlach zu seinem Schwiegersohn Ludwig Ernstl. Grech, Gastwirt von Klenntnitz, nach Stetten. Die Eisenbahner Nowak und Frühauf blieben in Waiblingen. Ripper Gendo aus Wisternitz nach Heppach, Weigert nach Heidenheim, Schwiegersohn Schneider nach Schwaikheim. Und damit war mein Streben, in der Familie wenigstens beisammen oder in der Nähe zu bleiben, zu Nichte gemacht. Es ist gut, in der Not jemanden zu haben, der mit Rat und Tat hilft.

Wir, ich und Frau samt Schwiegersohn Beichl mit Frau und Kinder kamen nach dem Strümpfelbach am 8. Juli 1946 und zwar vorläufig ins Gasthaus zum Ochsen in den Saal, wo wir bis 20. Juli verblieben. Den ersten Tag gingen wir ins Gasthaus Hirsch essen, weil unser Gasthaus gesperrt war. Die übrigen Tage kochten wir uns zur Not selbst, dann bekamen wir Lebensmittelkarten. Als Schlafstellen waren amerikanische Feldbetten im Saal aufgestellt.

Kartoffeln mußten wir uns erbetteln. Es gibt auch in Strümpfelbach gute Leute. Der Besitzer des Gasthauses zum Ochsen hieß Härle. Es waren mitfühlende Menschen und wir hatten uns nicht zu beklagen.

Die erste Zeit verging mit ausfüllen von Fragebögen und Anmeldungen in mehrfachen Auflagen.

Schwiegersohn Beichl bekam eine Wohnung, 2 Zimmer und 1 Küche, in der Hintere Straße Nr. 7.

Ich und Frau bekamen ein Zimmer in der Hindenburg Straße Nr. 40, Gassenfront. Wir zogen daher am 20. Juli 1946 in unser Zimmer und bekamen als Inventar: 2 Betten, 1 Tischchen, 1 Kredenz, 2 Stühle und eine Uhr. Einen kleinen Ofen kauften wir uns selbst und so waren wir schon zufrieden. Unsere Hausleute waren und sind gut zu uns und helfen uns mit so manchen, Sachen durch, sodaß wir uns nicht zu beklagen haben. Unser Hausherr heißt Friedrich Ritter und wir werden ritterlich behandelt. Wir haben daher den aufrichtigen Wunsch, sie bei uns in Prittlach als Gäste zu haben.

Gott gebe, daß dies gute Einvernehmen immer ist, solange wir da sind, denn bei all dem guten Einvernehmen haben wir doch den sehnlichsten Wunsch wieder in unsere Heimat zu kommen, denn es ist ja hier in Strümpfelbach aussichtslos für uns eine Existenzmäglichkeit zu schaffen. Die Ausweisung war eben das größte Unglück für das ganze deutsche Volk, weil man ihr so viel deutschen Kulturboden genommen und das Volk im engsten Raum zusammengepreßt hat, um Not und Elend hervorzurufen und so hat man Nährboden für jeden Kommunismus geschaffen. Nicht um mich allein geht es, denn ich werde ja bald als Humus aus gezehrt sein. Aber mein Volk will leben und sich auf gleicher Stufe mit den anderen Völkern halten. Man bedenke doch, wohin solche Behandlung führt. Den freien Menschen fürchte nicht, doch den Sklaven, wenn er die Ketten bricht! Dieser Krieg war ein Vernichtungskrieg gegen das Zivilvolk. Man hat die Städte vernichtet und die Bewohner des Landes vertrieben. War es so?

Unsere Arbeiter sagten uns auch bald: wartet nur, bis der Hitler kommt, der wirt Euch schon Kummet anpassen! Der Hitler kam wirklich. Ohne uns zu fragen. Es kam zur Mobilisierung tschechischer Seite und unsere Söhne mußten zu den Tschechen einrücken. Nach der Demobilisierung der tschechischen Armee wurden sie zum Grenzschutz unter Zwang herangezogen, mußten später zu der deutschen Wehrmacht einrücken und wurden auch zum Teil in die SS gesteckt ohne gefragt zu werden.

Es wurde alles unter Diktatur gestellt. Die Gemeindevertretung auch aufgelöst und der Bürgermeister ernannt, das Ortsdreieck Bürgermeister, Zellenleiter und Ortsbauernführer waren die Herren Diktator in der Gemeinde. Vielen der unseren gefiel dies nicht, doch es gab kein Aufmuksen. Jeder halbwegs denkende Bauer sagte sich, dies führt zu keinem guten Ende. Unsere tschechischen Nachbarn sagten uns über Hitler nur: dies ist der Narr von Berchtesgaden. Sie sagten uns alles genau voraus, was und wie es kommen wird. Doch glaubten wir doch nicht, daß ein Mann wie Hitler ein Millionenvolk in solchen Abgrund führen kann. Da hofften wir doch, daß ihm die deutsche Intelligenz in die Arme fallen wird und ein Halt zuruft. Wir glaubten auch an eine Ausweisung nicht, als schon ein russischer General in Rakwitz, bei einer Versammlung sagte: die Deutschen müssen hinaus, damit die Friedenskonferenz vor einer fertigen Tatsache steht.

Ich will jetzt mein Vermögen aufzeichnen, das durch die Ausweisung geraubt wurde, damit die Nachwelt sieht, daß ich kein Kriegsgewinner oder Kriegsverbrecher war. Welcher Landwirt wäre auch für Krieg, wo er doch weiß, daß ihm in solchem Fall nicht nur seine Kinder, sondern all sein Vieh etc. genommen wird. Ich glaube, an uns wurde das Kriegsverbrechen begangen. Nicht wir waren unzufrieden, sondern die Intelligenz raufte sich an der Staatskrippe ums Futter und untergrub sich gegenseitig, bis es zum Krieg kam.

Prittlach, Haus Nr. 30
Besitzer: Matthias, Gisela Zipfel
PN Acker Weingarten Wiese
135   Wohngebäude 493
82   Hofgarten-Stallungen   586
1.079
945   Rakwitzquanten 5.162
1183   Mitterberg 2.111
876   Pointen Garten 158
877   Pointen 2.428
115   Preßhaus u. linker Keller
1236   Mitterberg 1.755
1238   Mitterberg 1.590
1239   Mitterberg 1.590
671+672   Bauernwiese 5.482
1956   Rosenberg 3.723
493   Bannwasser 3.661
209   Bruckwiese
42   gegen Stanzl 5.665
1408   Langviertel  1.705
1409   Langviertel  1.967
1793   Veiglbergacker 1.690
2049   Bergacker  4.766
277   Bruck/Dreiquanten                        6.006
23.026 9.280 17.153
Übertrag von Prittlach
PN Haus Acker Weingarten Wiese
1.079 23.026 9.280 17.153
Saitz
Matthias und Gisela Zipfel
3835   Linstall 1.241
4121   Unterniederberg 4.025
4121   (Braten) 3.848
32.140
Josef und Steffi Zipfel
Presshaus samt Keller, beim Friedhof
746   Wolfswiese 4.535
1141   Niederberg 1.939
1014   Satz Weingarten 4.855
1717   Veiglberg 1.255
1718   Veiglberg 1.259
1107   Niederberg 1.993
1108   Niederberg 1.885
1804/1   Kleinweingarten 1.489
673+674   Bauernwiese                       4.593
 40.998  15.097  26.853
Pacht Schneider Johann + Agnes
2029/1   Bergacker 9.452
2106   Bergacker 2.126
 733/1+734/1   Johanneswiese 5.772
 Haus                                 
1.079 52.576 15.097 32.080

 

  10 ha 28 a 12 qm   bewirtschaftet
    8 ha 40 a   Gesamteigenbesitz
davon:     4,10 ha   Acker
    1,50 ha   Weingarten
    2,69 ha   Wiese
    0,11 ha   Haus
und separat     1,68 ha   Pacht

 

lebendes Inventar totes Inventar
  2 Pferde   Wohnungseinrichtung
  1 Fohlen   1 komplette Zimmereinrichtung
  3 Kühe   der Schwiegertochter
  2 Kalbinnen   bestehend aus:
  1 Zuchtsau   2 Doppelkästen
  2 Mastschweine   2 Betten
  2 Jungschweine   2 Nachtkästen
  33 Hasen   1 Tisch
  3 Zuchtgänse   2 Sessel
  1 Gänserich   1 Ottomann
  4 Enten   1 Kredenz
  20 Jungenten   1 Psichespiegel
  24 Hühner
  30 Junghühner
  1 Haushund

 

Unsere Möbel:
  im Zimmer:   in der Kammer:
  5 Kästen   1 Schuttkasten
  3 Kästen   1 Wohnzimmertruhe
  3 Tische   1 Kornmehltruhe
  4 Betten   1 Schrotfass
  1 Ottomann   1 Milchzentrifuge
  1 Sofa   1 Wäschglättrolle
  5 Sessel gepolstert   1 Dezimalwaage
  4 Rohrsessel
  2 Nachtkästen
  1 Waschtisch
  2 Kredenz
  1 Radioapparat
  1 vollständige Kücheneinrichtung

 

Wirtschaftsgeräte:
  1 großer starker Wagen neu
  1 mittelstarker Wagen
  1 schwächerer Wagen für Pferde
  1 Pflug einscharig von R. Lack
  1 Pflug zweischarig von R. Lack
  1 Paar Eggen
  1 Pflug für Weingarten, Planet
  1 Ackerwalze neu
  1 Sämaschine neu nach Melicher Original-Nr. 214174
  1 Sämaschine mit Frucht Nr. 442?77
  1 Grasmäher
  1 Heurechen
  1 Kartoffelroder
  1 Motor
  1 Paar Pferdegeschirr komplett samt Zügel
  1 Paar Kühkummat komplett samt Zügel
  1 Häckselmaschine
  2 Rübenschneider
  3 Weingartenspritzen neu
  1 Fahrrad
  1 Schleifstein für den Grasmäher

 

Im Werkzeugschupfen: Presshaus samt Kellereinrichtung:
  4 Grabeisen   1 Weinpresse neu
  3 Sensen   4 Bottiche
  4 Gabeln zum Heu   1 Traubenmühle
  3 Gabeln zum Dünger   1 Windfege
  2 Gabeln zu Rüben   20 m Weinschläuche
  1 Gabel zu Kartoffeln   1 Pressmesser
  6 lange starke Ketten   2 Messinghähne
  5 Hauen   10 Weinfässer 8 - 10 hl
  4 Scharhauen   3 Weinfässer 4 - 5 hl
  5 Hammer   2 Weinfässer 3 hl
  2 Holzhacken groß   3 Weinfässer 2 hl
  3 Holzhacken klein   3 Weinfässer 1 hl
  2 Zangen   12 m Faßunterlagen neu
  2 Schaufeln   8 m Faßunterlagen alt
  95 hl Weißwein noch lagernd.
Gisela und Matthias Zipfel bei der Heuernte
Matthias Zipfel im Hintergrund Knecht und Dr. Rothleitner

Die ganze Wirtschaft war schuldenfrei, niemand hatte eine Forderung, es war noch Geld in den Kassen. Außer der Marie ihrer Nikolsburger Einlage hatte sie noch in der Prittlacher Raiffeisenkasse den Betrag von 3.066 RM eingelegt, datiert 01.03.1933 Hauptb.V 69 Buch Nr. 428 auf Marie Zipfel verehelichte Schneider.

Auf Matthias und Gisela Zipfel war in der Prittlacher Raifeisenkasse Genossenschaftsbuch 202 Kontobuch Nr. 170/11 der Betrag von 1.000 RM eingelegt 11/3/45. Die letzten 2 Sparkassenbüchl haben uns die Tschechen abgenommen am 5.Juni 1945 und ebenso haben sie uns auch am 5.Juni 1945 unser Bargeld in Höhe von 1.787 RM abgenommen und dafür eine Münzliste ausgestellt, dabei versprochen, innerhalb paar Tage alles umgetauscht in tschechischer Währung zurückzugeben, Geschäftsanteile waren bei der Zuckerfabrik 100 RM, bei Milchgenossenschaft 30 RM, Landwirtschaftlicher Verein 10 RM. Außerdem war noch ein Vorrat Holz und Kohle für den Winter. Zwei Gruben Kartoffel, eine Grube Rüben und eine Grube Futter und einige cbm Mais, Heu und Stroh.

Diesen Wertbestand mußte ich und meine Familie in ganz unschuldiger Weise verlassen und als verstoßene schwer bedrückte Menschen wie Bettler in der falschen Welt umherwandeln. Schwerste Stunden haben uns umrungen. Bitteres Leid hat uns begleitet. Wenn man uns auch hat vertrieben, die wahre Heimat lebt und ist geblieben. Immer näher kommt der Hoffnungsschein, denn wir kommen alle wieder heim. Ruchlos, schwächlich aus der Heimat vertrieben. Von der Welt mit Schand und Spott verkannt. Unsere Heimat, die teure, ist immer noch geblieben wenn auch Lug und Trug uns Flüchtling nennt. Gottes Fluch wird sicher treffen, alle Menschen die uns Unrecht getan, er wird uns allen helfen, über die schuldlos das größte Unrecht kam. Es ist selbstverständlich, daß man bei solcher Wirtschaft nicht freiwillig weggeht, sondern haltet so lange es nur geht und wir haben so lange gehalten bis wir enteignet davon gejagt wurden.

Nun sitz ich in Strümpfelbach und werde von so manchen Menschen als ein lästiger minder­wertiger Mensch betrachtet und es ist keine Aussicht, jemals eine Existenzmöglichkeit zu bekommen.

Die Leute sind meist nur Weingärtner, keine großen Bauern. Viele von ihnen werden sich erst im jetzigen Krieg finanziert haben, meistens von Wein und Obst. Es ist viel und guter Wein hier, meist Trollinger, eine leichte ertragreiche Rotweinsorte auf Schenkelschnitt, durchwegs auf terrassenförmige Berghänge gepflanzt. Die Leute sind fleißig und geben sich viel Mühe mit Erd-"tragen" in den Weinbergen. Dieses Erd-"tragen" halte ich für nicht notwendig; ebenso das Zudecken der Bespannung während der Fahrt. Doch der Schnitt der Weingärten ist gut. Meistens jeder Stockschenkel einen Bogen, also hoch geschnitten. Der Dünger wird gestreut und eingehackt mit der Karsthaue. Auch wird oft gejaucht. Ausgebrochen wird wenig. In jeden Weingarten ist ein Häuschen gemauert, mit Wasserreservoir zum Spritzen.

Am 1.02.1953 wurden wir von unserem Hausherrn Ritter, Hindenburgstraße 40, mit der Wohnung, d.h. 1 Zimmer, für welches wir 10 Mark Zins ohne Licht zahlten, angeblich wegen Umbau, weil der Junge heiraten will, gekündigt und nach vielen Drängen und Laufereien räumten wir bis zum 1.September 1953 diese Wohnung freiwillig. Ich ging zum Pepi schlafen, Hauptstr. 32 und meine Frau zur Kathi, Hinterestr. 7. Nach 2 Monaten am 1. November 1953 bezogen wir die neue Wohnung, 1 Zimmer und Küche um 20 Mark ohne elektr. Licht, Hindenburgstr. 28 in Strümpfelbach.

Soeben erfahre ich, daß der Nachbar oberhalb meinem Keller Haus Nr. 115 noch in Neusiedl in Österreich in den Ölbohrungen ist. Dieser Nachbar heißt Groß Anton. Bei ihm hatten die Narodni-Vybor versteckte Sachen gefunden. Daraufhin hängten sie ihn am Baum auf. Als er bewußtlos wurde, nahmen sie ihn ab, warteten bis er zu sich kam, dann verprügelten sie ihn. Dies wiederholten sie und nahmen ihn dann ins Lager, setzten ihm eine Narrenkappe auf und führten ihn im Lager herum. Dies sind Aussagen von seiner Schwägerin Triebel Kathi und auch von ihm selbst. Doch will er heute nicht mehr davon reden, weil er sich fürchtet, noch dafür bestraft zu werden. Ich war nicht dabei. So wird vieles verschwiegen aus lauter Angst.

Es wird auch in diesen Aufzeichnungen vieles noch fehlen, weil es mir augenblicklich nicht ins Gedächtnis kommt, doch will ich alles jetzt schreiben wie es mir in die Gedanken kommt. Es fällt mir jetzt ein, während ich dies Büchlein nachlese: ein Grenzstreit der Gemeinden Prittlach, Eisgrub und Rakwitz. Im Jahr 1292 wurde ein Grenzstreit der Gemeinden Prittlach, Eisgrub und Rakwitz geschlichtet und zwar von den Herrn aus diesen Gemeinden und den Nachbargemeinden, den Burgbesitzer von Neudek usw. Aus diesem Anlaß wurde ein sehr großer Stein, der mit 3 Paar Ochsen von Eisgrub zugeführt wurde, an der Stelle, wo sich die drei Gemeinden grenzen (das ist bei den unteren Richterwiesen, ganz in der Nähe des Burgstalles) als Grenzstein eingesetzt. Der Burgstall dürfte ungefähr 1 km südlich von Prittlach liegen und eine alte Befestigung von der Thaya sein. Sowie die Heidenstatt bei Neudek usw. . Es ist schade, daß alle Aufzeichnungen verloren gingen, besonders die von Tierarzt Karl Odechnal verfaßte Dorfchronik. Auch die Gemeinde schrieb eine Chronik.

Im Jahr 1736 brannte das ganze Dorf ab, ebenso im Jahr 1857. Mein Geburtshaus Haus Nr. 30 brannte zum letzten mal im Jahr 1863 ab.

Im Jahr 1791 wurde das Fürstengasthaus samt Keller unter der Schule von der Gemeinde unter dem Richter J.Groß, Haus Nr. 47, vom Fürsten Liechtenstein für die Gemeinde erstanden. Im Jahr 1765 wurde das Turmdach neu gebaut von einem Feldsberger Zimmermeister, ein Zwiebelformdach mit Kupfereindeckung. In die letzte Kugel oben, worauf das drehbare Kreuz steht, sind auf Pergament alle diesbezüglichen Daten aufgeschrieben und gut verwahrt für spätere Zeiten zum Andenken. Bei dieser Einweihung schenkte die Gemeinde viel Wein aus.

Die Gemeinde hatte 2 Keller und viele schöne Weingärten, Goldberg, welcher vom Fürsten Liechtenstein gegen Holzgrasäcker eingetauscht wurde, Langwinkel, Niederberg, Mitterberg und andere mehr. Ein Niederberg und ein Mitterberg wurde unter Bürgermeister Johann Grimmel 1919-1922 über meinen Antrag als Gemeindevertreter zur Herstellung eines direkten Verbindungsweges zu den rückwärtigen Feldern vertauscht, gegen Mitterberg des Hlinetzky Friedrich und eines Veigelberges des Schubert Vinzenz Haus Nr. 10. Früher mußte man zwischen Mitterberg und Niederberg bis an die Rakwitzer Grenze einen Umweg fahren und längs dieser Grenze waren die hinteren Felder.

Auch Felder hatte die Gemeinde viele und schön, wie Neumühlquanten usw., dazu eine Scheuer. Auch Wiesen, wie Richterwiesen, Stierwiesen, Faßzieherwiesen und andere mehr. Diese Wiesen wurden gebraucht, weil die Gemeinde eine eigene Stierhaltung hatte (4 Stück). Die Gemeinde führte eine separate Wirtschaft. Der erste Gemeinderat hatte die Feldwirtschaft, der zweite Gemeinderat die Weingärten und Keller und der dritte die Wiesen und die Stierhaltungen. Dies wurde aber unter der Herrschaft Hitlers anders. Die Felder und Weingärten wurden vom Bürgermeister pachtweise vergeben, ebenso der Gemeindekeller und die Scheuer. Diese Gemeindescheuer hatte ich gepachtet, um 50 RM jährlich.

Kirchturm Prittlach

Die Neumühlquanten nahm sich der Bürgermeister selber. Der Bürgermeister hatte uneingeschränkte Macht, hatte keine Kontrolle mehr von Gemeindevertretern. So kam es, daß er trotz aller Einwendungen der Angrenzer das Trenngassl (Volksmund Krengassl) um den Betrag von 20.000 oder 22.000 RM kanalisieren ließ.

Es war so manches aus dieser Zeit hart für uns Bauern. So die Abnahme aller Milchsachen und Butterfässer, später sogar die Abnahme aller Radioapparate. Diese Sachen bekamen wir knapp vor dem Umsturz wieder zurück.

Im ersten Weltkrieg wurden uns 3 Kirchenglocken abgenommen:, nur eine große Glocke mit 18 Zentner Gewicht blieb uns. Wir, die Gemeinde, kauften daher nach dem Krieg in Brünn bei F. Hiller eine neue schöne Glocke mit gutem Klang um 30.000 kc über meine Anregung mit 2 Sprüchen:

1. Seite: Zeugin sei in spätern Jahren daß hier fromme Menschen waren
die in deutscher Innigkeit sich dem Dienst des Herrn geweiht.
2. Seite: Ich mahn Euch Tag um Tag so oft als ich geschwungen
die Väter waren deutsch so bleibet auch die Jungen.

Doch jetzt im zweiten Weltkrieg wurden uns alle Glocken abgenommen. Ich rate daher, in der Zukunft nur Stahlglocken zu kaufen, die auch einen guten Klang haben und noch den Vorteil, daß sie von einer Heeresverwaltung nicht für Kriegszwecke abgenommen werden. Wie schon erwähnt, hatten wir in Prittlach 4 Glocken. Die kleinste war das Zügenglöcklein, welches geläutet wurde in dem Augenblick da einer gestorben, also in den letzten Zügen lag. Die zweitgrößte Glocke war das Elfglöcklein. welches wahrscheinlich früher um 11 Uhr geläutet wurde, um damit die Leute am Feld draußen wissen zu lassen, wie spät es ist.

Die drittgrößte Glocke war die eigentliche Gebets- oder Ave-Maria-Glocke. Die größte und vierte Glocke war die Sonntagsglocke. Diese Glocken, sowie der Turm waren Eigentum der Gemeinde Prittlach, nicht der Kirche. Wie schon erwähnt, wurde die Kirche 1216 erbaut. Von 1640 bis 1687 war auch die Gemeinde Saitz daselbst eingepfarrt. Am 31. März 1779 brannte die Kirche samt Pfarrhaus sowie das ganze Dorf nieder. Der letzte Wehehrader Pfarrer war 1799, Kaspar Roth. 1766 wurde erst das Pfarrhaus wieder neu gebaut. 1617 erkaufte Gundakar von Liechtenstein das Dorf Prittlach. Hernach war ein langjähriger Besitzerstreit. Um das Jahr 1858 hatte Prittlach rund 1.269 deutsche Einwohner und 7 Juden, darunter 205 schulfähige Kinder. Die Schule wurde 1844 am alten Platz neu erbaut, mußte aber schon im Jahr 1884 wieder auf demselben Platz neu erbaut werden.

Betrifft Gesamtdokumentation.

Daß Prittlach zu den besten Weingegenden Südmährens gehört, habe ich ja bereits erwähnt, so will ich diesmal etwas über die schöne Hutweide schreiben, welche sich von der Ortschaft bis an die Thaya ausstreckte, fast 1/2 Wegstunde lang und von 3 toten Thayaarmen durchzogen. Diese Gewässer waren sehr fischreich und waren in letzter Zeit dem Brünner Fischerverein verpachtet. Auf die Hutweide wurden vom Frühjahr bis in den Spätherbst ungefähr 6oo Stück Rinder und über 1oo Pferde, getrieben. Auch Gänse, Schafe und Enten gab es in Mengen. Große Aufregung war beim ersten Austrieb, wenn der Hirte an einem schönen Frühlingstag ins Horn blies und dann stationsweise mit einer langen Peitsche (aus Leder geflochten, mit kurzem Stiel) 3 mal krachte.

Sofort antworteten die Rinder mit Gebrüll und fein geputzt und gewaschen kamen sie von der Kette und fort ging's im Galopp, die Schwänze hoch, auf die Hutweide. Das erste dort war, daß sie sich rauften und mitunter die Hörner abstießen.

Der Pferdeaustrieb war nicht weniger lustig und wer nicht schnell genug aus dem Wege kam, der wurde niedergerannt. Erst gar, wenn der Gemeindestier losgelassen und auf die Weide rannte, da wichen alle Zuschauer aus, nicht aus Respekt, aber aus Furcht! Für den Hirten war viel Arbeit und Lauferei, dies viele Vieh zusammen zuhalten.

Wie ich noch Kind war, bekamen die Hirten, es waren zwei Familien namens Pichler und Birnbaum, als Entlohnung jeden Samstag die Abendmilch. Diese Milch wurde von 2 Hirtenbuben, am Samstag abend in einem großen Holzschaffel, mit 2 Stangen zum tragen, abgeholt, von Haus zu Haus mit dem Ruf "Milli raus". Diese Hirtenbuben waren sehr schlau und hatten über das Schaffel ein Seichtuch gespannt und obenauf Brennessel gelegt, damit sofort zu erkennen war wenn ihnen eine Bäuerin Magermilch statt Vollmilch ins Schaffel schüttete.

Und erst recht praktisch waren die alten Hirten, schon die Väter und Großväter waren Hirten. Unter den Tieren aufgewachsen kannten sie sich bei den Tieren schon gut aus. Beim Abkälbern waren sie meist dabei und wurde ein Vieh krank, so wurde zuerst der Hirte gerufen, der meist ein gutes Trankl oder gute Salbe hatte. Hilft's nicht, so schad's nichts. Die Pferde wurden früher auch des Nachts auf die Weide getrieben. Nach der Arbeit und jede Nacht mußten zwei Burschen den Hirten in der Pferdekoppel helfen, was bei einem starken Gewitter nicht leicht war. Doch auch da wurden Streiche gespielt. War da einer einmal eingeschlafen, schnell wurde ihm ein Pferdehalfter um die Füße gewunden und er wurde im taunaßen Gras weitergeschleift.

Auch der Gänsehüter war Herr über seine geflügelten Pfleglinge. Fast in Reih und Glied marschierten Gänserich mit Gans und den Jungen. Und keine der vielen hundert Gänse trennte sich vom Marschweg. Jede Gans hörte am Pfiff und auf's Gebell vom Hund. Die schöne Zeit der fetten Gänse, die durch die Bäuerin 4 Wochen mit Kukuruz geschoppt und fast immer 6 - 8 kg schwer wurden, gut gebraten 2 kg Fett und guten Braten mit Kraut und Knödel gaben! Auch die Gansleber bleibt in Erinnerung der Prittlacher. Bei Gänsebraten und Wein war man guter Laune und machte auf die anderen einen Reim: Jänsebraten ist ein jutes Essen. Ich selbst habe noch nie einen jejessen. Aber meines Vater's Bruder Sohn, dessen Schulkollegen Tanten Sohn ist neben jemanden jesessen, der jesehen hat, Jänsebraten essen. Bei solch froher Runde wurde auch Prittlach besungen.

Der Wortlaut des Liedes war wie folgt:

1.) Im Süden Mähren's liegt ein Ort
hart nah am Thayastrand
mein Geist weilt oft und gerne dort
weil ich von ihm verbannt
Doch hält an ihm mich immer fort
ein liebevolles Band.
Von Blumen schön und reich umflort
gepflückt von guter Hand :/
2.) Mein lieber kleiner Heimatort
sei gegrüßt aus fernem Land
und ging ich einstens von dir fort
so hält mich doch ein Band.
Mein liebes schönes Elternhaus
Wo meine Wiege stand
es ist und bleibt der schönste Ort
den ich im Leben fand :/
3.) Und komm ich einmal wieder heim
in meines Vater's Land
dann such ich auch das Örtchen klein
das Dörflein Prittlach genannt
Dann schenkt mir ein von deinem Wein
gepflegt von Hauer's Hand
und sei gegrüßt ganz insgeheim
mein liebes Heimatland. :/

Für diesmal will ich wieder schließen.

Aus meinen Neubürgern ist nichts heraus zu bringen. Sie wollen alle Mundsperre haben und geben mir zu verstehen, daß sie nicht arg erbaut sind für die Sudetendeutsche mit zutun, daß der deutsche geschlossene Kulturboden für das ganze deutsche Volk verloren ist für immer, wenn sich nicht ein Mann findet der den Mut aufbringt, im Namen des ganzen deutschen Volkes gegen die Ausweisung der Deutschen aus dem geschlossenen deutschen Gebiet bei den Allierten vorstellig zu werden, ob ein oder kein Erfolg zu erwarten. Sie haben keine Hoffnung und keinen Glauben mehr, doch ich gebe meine Hoffnung und meinen Glauben nicht verloren, daß für den Fall ich nicht mehr in meine Heimat, der ich mein ganzes Leben gedient habe, zurück darf, mir der Herr Staatssekretär und sein Sachberater behilflich sein werden, mir ein kleines Häuschen mit einem Weingarten und ein kleines Stück Feld zu erwerben, wo ich noch in Ruhe für die Zukunft schaffen kann.

Und nun wieder zurück zum Fischwasser.

Als Kinder war es eine Lieblingsbeschäftigung in diesen Gewässern zu angeln, wenn Regenwetter und keine rechte Arbeit war. So wurden sofort Würmerhaken gemacht, im Dorf oder am Platz von dem alten Groß-Maurer, Totengräber, der Rauch-Ziegel machte.

Am Erfolgreichsten war es in der Laichzeit der Fische, für Schleien wenn der erste Weizen blühte, für die Hechte etwas früher. Für letzteres wurden schon im Morgengrauen Hochangel mit kleinen Fischen als Köder (Doppelhaken am Rücken) eingestellt. Während der größten Mittagshitze wenn sich kein Lüftchen rührte und die Hechte sich in der Nähe der Wasseroberfläche sonnten, wurden sie mit einer gelben Dochtschlinge gefangen. So wie ich mich aus den alten Chroniken erinnern kann, wurde das Fischessen im 14. Jahrhundert zur Pflicht gemacht.

Deutsche Ortschaften Südmährens
Eisgrub Mohleis Gurdau Feldsberg
Pohrlitz Pausram Garschöntal Mariahilf
Kaschnitz Prittlach Mostitz Nischitz
Saitz Bodenitz Olkowitz Neumühl
Arschitz Schakwitz Millowitz Odrowitz
Hermansdorf Poitelsbrunn Prachlitz Frischau
Nikolsburg Nimmschitz Aschenwitz Klemtnitz
Gubschitz Lechwitz Pollau Wolframitz
Znaim Unterwisternitz Bachtritz Dornfeld
Oberwisternitz Weinburg Gurwitz Tracht
Frainschitz Lidiendorf Pardorf Morber
Schönwald Bergen Mistelitz Frainersdorf
Auspitz Pullnitz Pomitsch Bratz
Irritz Alt Postrein Kallendorf Dürrnholz
Neu Postrein Urbau Neusiedl Jasowitz
Ldelschitz Guldenfurth Brutschau Schattau
Bratelsbrunn Freistein Gutenfeld Schröffelsdorf
Deutschkrau Mietzmaus Mannsberg Mühlfraun
Naschelitz Taßwitz Geiwitz Kloskowitz
Perbitz Banditz Schaffa Hosterlitz
Schultern Possitz Kallek Grillowitz
Luggau Erdberg Kaidling Thayach
Edenturm Höflein Milloschitz Grafendorf
Oberfroschau Schönau Dammitz Grußbach
Poppitz

 

Josef Hermann
1.) Ich habe nichts zu eigen
weil alles ich verlor
zum Bettler bin ich worden
war fremder Leute Tor.
2.) Wie schmerzt mich jede Gabe
wie brennt das Herz in Scham
viel schwerer ist's zu nehmen
der Hand, die niemals nahm.
3.) Ich gehe meine Tage
in Demut und Geduld,
daß ich euch Last geworden
es ist nicht meine Schuld.
4.) Mir gab ein Gott zu tragen
was allen Euch gedroht
Dir, Bruder, blieb die Heimat
und mir dafür die Not.
5.) Oft schlagen harte Worte
mir schmerzend ins Gesicht
aber im Bettlerkleide
kennst Du den Bruder nicht.
6.) Sucht nicht um deinetwillen
das Elend dieser Zeit
ich bin von vielen einer
die tragen Deutschland's Leid
7.) Und werden's lange tragen
in Armut und in Pein
Bruder, in allen Herzen
muß Platz für Deutschland sein.
Lichtblick Mai 48

 

Österreichs Kaiserlied
1.) Gott erhalte, Gott beschütze,
unsern Kaiser, unser Land.
Mächtig durch des Glaubens Stütze
führ er uns mit weiser Hand.
Laßt uns seiner Väter Krone
schirmen wider jeden Feind
Innig bleibt mit Haburgs Krone
Österreichs Geschick vereint.
2.) Fromm und bieder, wahr und offen
laßt für Recht und Pflicht uns stehn
laßt,wenn's gilt mit frohem Hoffen
in den Kampf uns gehn,
eingedenkt der Lorbeerreiser
die das Heer so oft sich wand
Gut und Blut für unseren Kaiser
Gut und Blut für's Vaterland.
3.) Was des Bürger's Fleiß geschaffen
schütze treu des Krieger's Kraft
Macht des Geistes heitre Waffen
singe Kunst, und Wissenschaft
Laßt uns eins durch Bruderlande
gleichen Ziel entgegen gehn
Heil dem Kaiser heil dem Lande
Österreich wird ewig stehn.
4.) Laßt uns fest zusammen halten
in der Eintracht liegt die Macht
Mit vereinten Kräften walten
wird das Schwerste leicht vollbracht
Segen sei dem Land beschieden
und sein Ruhm dem Segen gleich
Gottes Sonne strahl in Frieden
auf ein glücklich Österreich.

 

Später sagte Feldmarschall Konrad v. Hötzendorf:
Du altes Österreich schlummre in Ruh
Lorbeer und Eichenlaub decken Dich zu
Wenn sie Dich schmähen, laß es geschehen
Einstens wird man dich besser verstehen.

 

Mein Nachbar, der Grimmel Franz sagte:
ein goldener, mit Rosen bestreuter Weg,
zum Schluß ein Haufen dran.

 

Lied der Flüchtlinge
1.) Aus seinem trauten Heim vertrieben
zieht der Flüchtling durch das Land
ihm ist nichts als Not geblieben,
Sorgen reichen ihm die Hand.
2.) Einsam zieht er durch die Straßen
kommt von weit ein Vöglein her
Singt ein Lied aus seiner Heimat
wird sein armes Herz so schwer.
3.) Und die Wolken ziehn am Himmel
ziehen seiner Heimat zu
und der arme müde Flüchtling
drückt vor Schmerz die Augen zu.
4.) Bilder ziehn an ihm vorüber
aus der längst vergangnen Zeit
wo er noch mit seinen Lieben
freudig lebte ohne Leid.
5.) Blüht am Wegesrand ein Blümelein
trägt den gleichen Blumenstern
wie die Blumen seiner Heimat
die so weit sind, ach so fern.
6.) Seine Lippen flüstern leise
ein Gebet zu unsrem Herrn
laßt auf mich, den Heimatlosen,
leuchten deinen Abendstern.
7.) Laßt mich eine Heimat finden
gib von dieser großen Welt
mir ein Stückchen dieser Erde
wo sich Freude mir gesellt.
8.) Einmal wird, ich weiß es sicher
wieder deutsch mein Heimatort
und dann muß von meiner Scholle
alles Fremde wieder fort.
9.) Gläubig harr ich dieser Stunde
trage stumm mein großes Leid
blutet noch so sehr die Wunde
heimatlos für alle Zeit.

 

Es glaubt der Mensch, sein Ziel schon fest zu halten
er zweifelt nicht, ist seiner sich gewiß­
und was er nicht erwartet, nicht berechnet
weil's gar zu fern und unmöglich schien,
gerade das bricht durch die dunkle Fügung
der mitleidslosen Himmlischen dann ein
und stürzt den Armen jählings in den Abgrund.

 

Mitleid, Mitleiden, im tiefsten Sinn
ich konnte noch keinen finden - ­
es gab noch niemand sein Auge hin
aus Mitleid für einen Blinden.
Zipfel

 

Erfahren müßt man
Erfahren wird ein andrer
und endlich fehlt die Zeit
Erfahrenes anzuwenden.
Zipfel

 

Ein Weib ist nur ein bloßes Übel
des guten Mannes schwerstes Joch
sie kommt mir vor wie Kren und Zwiebel
man weint dabei und genießt sie doch.
Zipfel

 

Das ist ein Wirbelwind
ein armes Blatt, das Menschenkind
es treibt's zu Tal, es hebt's zum Hügel
das Blättchen rühmt sich seiner Flügel.
-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-
Gut verloren - etwas verloren
mußt rasch dich besinnen und neues gewinnen
Ehren verloren - viel verloren
mußt Ruhm gewinnen
da werden die Leute sich anders besinnen
Mut verloren - alles verloren
da wäre es besser, nicht geboren.
Goethe

 

Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.
Ein selig Leben führt der Mann
dem schön erblüht das Glück der Ehe
wenn er da nicht lächeld
dann blüht daheim und draußen
ein unglückseliges Los.
Zipfel 21.8.51

 

Die Hoffnung führt ins Leben ein
sie umflattert den fröhlichen Knaben
den Jüngling begeistert ihr Zauberschein
sie wird mit dem Greis nicht begraben
dann beschließt er im Grabe den müden Lauf
noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.
*********************
Kannst du nicht wie der Adler fliegen
klettre nur Schritt für Schritt bergan
wer mit Mühe den Gipfel gewann
hat auch die Welt zu Füßen liegen.
+++++++++++++++++++++++
Gedenke, daß Du Schuldner bist
der Armen, die nichts haben
und deren Recht gleich Deinem ist
an allen Erdengaben.
-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-
Ruhig Blut, dies ist für alles Übel gut.
Zur Erinnerung an Josef Zipfel geb.1.3.1843
-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-
Laß dir die Fremde zur Heimat
niemals die Heimat zur Fremde werden
Nur wer seine eigene Heimat liebt
ehrt auch die Heimat anderer.
Mutter
.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.
Bauernlied
1.) Ihr Herren schweigt ein wenig still
und hört was ich euch singen will
welcher Mensch ist auf der Erd
dem Lob und Ehr zum Ersten gehört
man kann sich's ja leicht bilden ein
ja daß es müßt ein Bauer sein
2.) Wie man höret, schreibt und lest
der erste Mensch ein Bauer ist gewest
da Adam grub und Eva spann
wo waren Bürger und Edelmann?
Gleich nach der Sünd im Paradeis
baut Adam in der Erde seine Scheis.
3.) Dem Kaiser seine liebsten Freund
Soldaten und die Bauern sein
der Soldat streit für's Vaterland
der Bauer gibt nur Brot in die Hand
drum danket Gott für diese Gnad
daß er den Bauer erschaffen hat
4.) Einem Bauer sieht mans ja nicht an
das, was er ist und was er kann
er bauet an das wüste Feld
löst aus der Frucht das schönste Geld
und schreibt der Kaiser um Steuer aus
zum ersten kommt aufs Bauern Haus
5.) Ein Bauer macht sich auch nichts draus
er trinkt - zwei, drei Maßerl aus
und geht nach Haus zu seinem Weib
macht ihr den schönsten Zeitvertreib
bei Bier, beim Brot, beim Fleisch und Wein
möcht ich ja selbst ein Bauer sein
6.) Ein Bauer ist ein schlauer Mann
kein Gaier fängt mit ihm was an
er tut uns gleich zur Antwort geben
von Bauern müssen die Stadtleut leben
von Bauern kommt ja alles her
der Fürst, der Graf, der strengste Herr
7.) Ein Bauer ist der erste Mann
der auch den Hunger stillen kann
Wenn auf der Welt kein Bauer wär
da ging es uns ja ziemlich schwer
er schaffet Fleisch und Brot ins Land
Viva, es lebe der Bauernstand!

Unentschlossenheit ist tödlich. Lieber träfe ich eine falsche Entscheidung, ja, viele falsche Entscheidungen, als die Unschlüssigkeit zur Gewohnheit werden zu lassen. Mancher, den ich kannte, kam trotz vielen falschen Entscheidungen vorwärts - keiner durch Unentschiedenheit. Wer in Entschlußlosigkeit verharrt, kommt sicher nicht zum Handeln und die Grundlage des Erfolges ist die Tat.

Je mehr die Macht und die Kontrollbefugnisse des Staates sich ausdehnen, desto mehr wird die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Staatsbürger beschnitten. Alles, was der Staat in die Hand nimmt, hat Monopolcharakter. Monopole schließen die freie Entscheidung aus. Der Produzent kann nicht mehr wählen. Den freien Wettbewerb abschaffen heißt: die Freiheit töten. Und was finden wir am Ende des Weges: den Staat als Herrn, den Staat als einzigen Arbeitgeber, der allein alles plant und allein alles überwacht.

Mit Bedauern muß ich immer wieder feststellen, daß man uns die Schuld am Krieg und seinen Verbrechen gibt. Beweisen kann uns dies niemand, denn wir bauten ruhig unsere Wirtschaft, zum Wohle der Allgemeinheit weiter, als es in Deutsch­land schon längst gärte. Erst mit dem An­schluß Österreichs ans Reich drang die erste Kunde von Hitler's - Regiment zu uns nach Südmähren, dies war im Frühjahr 1938. Was wir Bauern hörten, gefiel uns nicht: es war das Erbhofgesetz, der Grundverkehr, die gebundene Wirtschaft, usw..

Ich fragte damals einen Österreichischen Bauern, der zu uns herüber kam um Heu zu kaufen, wie es ihnen in Österreich unter Hitler gefällt. Der Bauer sah mich von oben bis unten mit Mißtrauen an, dann sagte er mir kurz: Herr, ich kenn Euch nicht und Ihr mich auch nicht, doch wenn es auf mich angekommen wär, so wäre der Hitler nicht hereingekommen. Dies machte uns erst recht stutzig.

Wer einem Volk die Heimat raubt
der ist von Gott verflucht
der findet keinen Frieden mehr
so sehr er ihn auch sucht.

Kein Wachstum ruht auf seinem Werk
kein Blühen und Gedeihen
denn Heimatsraub ist mehr als Mord
da kennt Gott kein verzeihen.

Geschrieben Dez. 1946-1953